Die Energiezukunft der Ukraine: Dezentrale erneuerbare Energien als einziger sicherer Weg nach vorn

Berlin/Kiew, September 2025 – Die Energy Watch Group (EWG) hat gemeinsam mit der International Energy Transition (IET) eine Stellungnahme zum aktuellen ukrainischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich erneuerbare Energien eingereicht. Darin empfehlen die Organisationen eindringlich einen Paradigmenwechsel: weg von zentralisierten fossilen und nuklearen Strukturen hin zu Millionen dezentraler erneuerbarer Energieanlagen.

Zentrale Infrastruktur unter Beschuss

Die gezielte Zerstörung der ukrainischen Energieinfrastruktur durch Russland hat die Verwundbarkeit zentralisierter Energiesysteme offengelegt. Zwischen 2022 und 2024 wurden mehr als die Hälfte der Stromerzeugungskapazität und über 80 % der Wärmeversorgung zerstört. Der Wiederaufbau großskaliger Kraftwerke würde viele Jahre dauern und bliebe auch künftig unsicher.

Dezentrale Erneuerbare als Lösung

Der einzige nachhaltige Weg liegt im dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien – getragen von Millionen kleinerer Anlagen im ganzen Land.

  • Solarenergie und örtliche Windkraft müssen das Rückgrat des neuen Energiesystems bilden.

  • In den Wintermonaten kann Bioenergie, reichlich vorhanden in der großen ukrainischen Landwirtschaft, eine stabile Wärme- und Stromversorgung über Kraft-Wärme-Kopplung sichern.

  • Ein schneller Umstieg von Diesel auf Pflanzenöle ist entscheidend, um fossile Brennstoffe in Landwirtschaft, Maschinen und dezentralen Generatoren zu ersetzen.

Energiesharing für Sicherheit und Wachstum

Damit Investitionen in die lokale Versorgung zukunftssicher sind, betonen EWG und IET die Bedeutung von Energiesharing – also kollektiver Eigenversorgung, bei der Haushalte, Unternehmen und Gemeinden erneuerbaren Strom miteinander teilen. Die EU-Richtlinien schaffen hierfür bereits einen klaren Rechtsrahmen. Die laufenden Gesetzesnovellen in der Ukraine sind eine Chance, diese Bestimmungen umzusetzen, die sowohl die Resilienz erhöhen als auch die EU-Annäherung vorantreiben.

Politikempfehlungen an die ukrainische Regierung

Die gemeinsame Stellungnahme empfiehlt unter anderem:

  • Recht auf Eigenversorgung und Energiesharing für alle Verbrauchergruppen,

  • Abbau unnötiger Genehmigungs- und Lizenzhürden,

  • Faire Vergütung für überschüssigen Strom im Netz,

  • Ermöglichung der Integration von Speicher- und Bioenergielösungen.

Damit entspricht die Reform vollständig den EU-Richtlinien (RED II, Strommarktrichtlinie, Reform 2024) und den Zielen der ukrainischen Gesetzesänderungen.

Breite Unterstützung für die Initiative

Die Eingabe von EWG und IET wird bereits von einer wachsenden Zahl ukrainischer Verbände unterstützt – ein starkes Signal für die Dringlichkeit, die Energiewende auch im Krieg deutlich zu beschleunigen.

Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group, betont:

„Zentralisierte Energiesysteme haben sich im Krieg als hochgradig verletzlich erwiesen. Die Ukraine hat jetzt die historische Chance, ihr Energiesystem auf dezentraler, erneuerbarer Basis neu aufzubauen – und so echte Energiesicherheit, wirtschaftliches Wachstum und EU-Integration zu erreichen.“

Zum Statement auf Englisch und Ukrainisch.

Großalgen gegen die Klimakrise: Ocean-Farming als Schlüssel zur massiven CO₂-Entnahme / neues Policy-Paper der Energy Watch Group 

Berlin, 9. Juli 2025 – Ocean-Farming mit Großalgen kann einen zentralen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise und zur Abkühlung der Atmosphäre leisten – das zeigt ein neues Policy-Paper, das eine naturbasierte Lösung mit großem Potenzial vorstellt. Erstmals wird ein konkretes globales Ziel für die aktive CO₂-Entnahme vorgeschlagen: 450 Gigatonnen in 40 Jahren, um die CO₂-Konzentration wieder unter die planetaren Grenzen zu senken. Großalgen wachsen extrem schnell, binden CO₂ sehr wirksam, stärken marine Ökosysteme und liefern nachhaltige Rohstoffe. Veröffentlicht wurde das Policy Paper von der Energy Watch Group am 8. Juli 2025 beim Parlamentarischen Abend der Deutschen Meeresstiftung mit 300 Teilnehmenden.

Zu den Kernaussagen des Policy Paper: Die Erde ist bereits überhitzt und wird voraussichtlich in den 2030er-Jahren das 2-Grad-Limit überschreiten und weitere Kipppunkte auslösen. Selbst bei sofortiger Klimaneutralität bliebe zu viel CO₂ in der Atmosphäre, um die Erderwärmung zu stoppen. Für ein stabiles Klimagleichgewicht muss die CO₂-Konzentration von heute 425 ppm unter 350 ppm sinken.  Dieser schon 1990 erreichte Wert führte zu einer globalen Erwärmung von 1,0°C, aber liegt noch innerhalb der planetaren Grenzen mit nur begrenzten Schäden.

Um diese 350 ppm wieder zu erreichen, ist eine Entnahme von mindestens 450 Gigatonnen Kohlenstoff (1.700 Gt CO₂) zur Abkühlung erforderlich. Dies soll als gemeinsames Ziel der Staatengemeinschaft gesetzt werden, so wie im Pariser Vertrag die Einhaltung von 1,5°C vereinbart wurde. CO2-Entnahme in diesem Sinne zielt weder auf Null-Emissionen oder “negative Emissionen”, sondern auf die Entnahme bereits emittierter Klimagase.

Bisherige Verfahren reichen nicht aus, um eine Entnahme in dieser Größenordnung zuverlässig zu erreichen. Ocean-Farming mit frei treibenden Großalgen eröffnet als naturbasierte Lösung in den ungenutzten subtropischen Wirbeln neue Perspektiven und marine Lebensräume – technisch, wirtschaftlich und ökologisch. Die erzeugte Biomasse kann fossile Rohstoffe in Industrie, Energie und Ernährung ersetzen. Damit entsteht eine nachhaltige Meereswirtschaft – mit Chancen gerade für Länder des Globalen Südens.

Heinrich Strößenreuther, Lead-Autor und Klimaexperte: “Klimaschutz bedeutet heute weit mehr als nur Null-Emissionen – Klimaschutz muss inzwischen gleichrangig auch Klimaanpassung und CO₂-Entnahme umfassen.”

Hans-Josef Fell, Ex-MdB und EEG-Mitautor, Präsident der Energy Watch Group und Vordenker der globaler Energie- und Klimapolitik: “Die Dimension der Aufgabe verlangt visionäre Führung und eine wirkungsvolle Politik – CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre muss neben Emissionsfreiheit ins Zentrum der Klimapolitik. Wir brauchen jetzt ein verbindliches Entnahmeziel und konkrete Schritte zur großskaligen Erprobung von Ocean-Farming.“

Franziska Pausch, Meeresbiologin und Wissenschaftskommunikatorin mit Fokus auf Klima und Ozeane: “Ocean Farming mit Großalgen im Sinne von Ocean Carbon Systems hat als naturbasierte Methode großes Potential, nicht nur für die CO2-Entnahme, sondern auch für viele andere Bereiche der nachhaltigen Ökonomie der Zukunft.”

Frank Schweikert, Meeresbiologe, Journalist und Gründer der Deutschen Meeresstiftung: „Die Ozeane geraten unter Hitzestress – mit drastischen Folgen für Nahrungsketten, Korallenriffe und Fischerei. Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir neben den marinen Arten eine zentrale Lebensgrundlage. Ocean Farming ist eine Schlüsselaufgabe für die Zukunft der Zivilisation.“

Prof. emer. Victor Smetacek, Experte für Meeresbiologie und marine CO2-Entnahme: “Wer den Mars besiedeln will, gilt als visionär, wer CO₂ entnehmen will, als Phantast – das sollten wir ändern.”

Kontakt: 

Pressearbeit durch die Agentur für clevere Städte, Heinrich Strößenreuther, 0160-97442395, presse@clevere-staedte.de

Energy Watch Group, Hans-Josef Fell, fell@hans-josef-fell.de

Frank Schweikert, Deutsche Meeresstiftung, frank.schweikert@meeresstiftung.de

 

Policy Paper zum Download (DE | ENG).

Pressemitteilung zum Download.

Präsentation zum Download.

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