Newsletter Februar 2024
Wasserstoff-Szenarien auf dem Boden der Tatsachen
Ein großer Vorteil von grünem Wasserstoff war und ist, dass er genutzt werden kann, um CO2-frei Strom zu erzeugen, wenn Wind- und PV-Strom den Bedarf mal wetterbedingt nicht decken. Als weitere Attraktion erschien, dass damit weiter Verbrennung für Prozesswärme, Gebäudewärme und im Verkehr nutzbar bleibt. Deshalb ist grüner Wasserstoff seit Jahrzehnten fester Bestandteil der zukünftigen Energieszenarien und mit mehreren 100 Mrd. USD subventioniert.
Bisher hat grüner Wasserstoff die Erwartungen aber nicht erfüllt. Der vor kurzem veröffentlichte Global Hydrogen Review 2023 der International Energy Agency zeigt, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff weit unter 1% der Gesamtnachfrage nach Wasserstoff verharrt – oder unter 0,004% des globalen Primärenergieeinsatzes.
Windkraft alleine erzeugt über 800 mal soviel an Energie.
Der Hauptgrund dafür ist, dass der Einsatz von grünem Wasserstoff bisher und für die absehbare Zukunft nicht wirtschaftlich ist, wenn elektrische Alternativen oder Biogas verfügbar sind. Der World Energy Council sieht die Lebenszykluskosten von “low-emission” Wasserstoff derzeit bei 3,50 USD pro kg oder 0,35 USD/kWh (eFuels werden dementsprechend noch teurer sein). In anderen Worten: grüner Wasserstoff ist etwa 10-fach so teuer wie Wind- und PV-Strom mit 0,03-0,04 USD/kWh. Hinzu kommt, dass die Technik für Transport, Speicherung und Anwendung von Wasserstoff in Fahrzeugen und anderen Anwendungen meist deutlich teurer als beim Einsatz von Strom oder Biogas ist.
Diese schlechte Wirtschaftlichkeit spiegeln sich in den folgenden Momentaufnahmen:
- Weltweit gab es Ende 2022 nur ca. 800 Wasserstofftankstellen für Pkw und Lkw 2022. In 2023 wurden dann – anstatt eines starken Ausbaus – mindestens 30 davon geschlossen und etwa 100-150 hatten ernsthafte Unterbrechungen ihrer Wasserstoff-Versorgung. Shell zieht sich aus seinen Wasserstoff-Tankstellen in Großbritannien und USA ganz zurück.
- Alexander Vlaskamp, Vorstansvorsitzender von MAN Truck & Bus, hat nun gesagt, dass MAN für die absehbare Zukunft Wasserstoff nicht als wirtschaftlich tragfähigen Treibstoff für LKW sieht. Stattdessen bringt MAN einen schweren, elektrischen Lkw mit zunächst 600-800 km Reichweite auf den Markt.
- Die Stadt Montpellier in Frankreich hat vor einigen Jahren entschieden, 50 Wasserstoff-Busse für ihren öffentlichen Nahverkehr zu beschaffen und dies Projekt jetzt aber aufgrund deren hohen Betriebskosten fallengelassen. Stattdessen sollen jetzt elektrische Busse eingesetzt werden.
- Das Projekt “Westküste 100” in Heide die umliegende Industrie mit grünem Wasserstoff versorgen. Trotz erheblicher Subventionen der Bundesregierung wurde das Projekt jetzt nach drei Jahren ebenfalls mangels ausreichender Wirtschaftlichkeit beendet.
In anderen Worten, es wird Zeit die Wasserstoff-Szenarien auf Anwendungen und Mengen zu reduzieren, wo grüner Wasserstoff derzeit und absehbar alternativlos ist:
- Beiträge zur längerfristigen Speicherung von Wind- und PV-Energie
- in ausgewählten Industrieprozessen
Das reduziert den Bedarf an Pipelines und anderer Infrastruktur für grünen Wasserstoff. Es ermöglicht Regierungen ebenso wie privatem Kapital sich auf wettbewerbsfähige Einsatzbereiche für grünen Wasserstoff zu konzentrieren anstatt in teure „stranded assets“. Das fängt nun auch an, sich in Wasserstoff-Strategien von Regierungen widerzuspiegeln.