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Bahnbrechende Studie legt erstmalig umfassende Berechnung für regionale Umstellung auf ein dezentrales, erneuerbares Energiesystem vor.

Hammelburg (6. März 2020) – Der Landkreis Bad Kissingen kann seine Energieversorgung vollständig auf Erneuerbare Energien umstellen und so notwendige Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele umsetzen. Die technische und ökonomische Machbarkeit einer Umstellung der Energiesektoren Strom, Wärme und Mobilität auf dezentrale 100% Erneuerbare Energien ist dabei zu jeder Stunde des Jahres gewährleistet, so eine neue wissenschaftliche Studie der Energy Watch Group (EWG).

Der Landkreis Bad Kissingen wurde als erstes Anwendungsbeispiel Deutschlands für das neue Simulationsmodell des Berliner Think Tanks ausgewählt. Die Ergebnisse stellte EWG-Präsident Hans-Josef Fell gemeinsam mit Landratskandidatin MdB Dr. Manuela Rottmann und Kreisrat Norbert Schmäling am 6. März 2020 in Hammelburg erstmalig vor. „Um die Bevölkerung als Partner für die Energiewende vor Ort zu gewinnen, ist ein gemeinsames Ziel wichtig: Eine 100 Prozent erneuerbare, sichere und bezahlbare Energieversorgung, die weitgehend im Landkreis selbst erzeugt wird. Dass dies machbar und realistisch ist, zeigt die Studie.“ so Rottmann. „Mit alltagstauglichem öffentlichem Nahverkehr und einer schnellen energetischen Sanierung unserer Altbauten erreichen wir das Ziel noch schneller. Wenn wir alle zusammenarbeiten, wird die Energiewende vor Ort unser Klima und unser Wohlstand sichern“, ergänzt die unterfränkische Bundestagsabgeordnete.

Die umfangreiche wissenschaftliche Analyse ist bahnbrechend, denn bisher liegen in Deutschland keine vergleichbar tiefgehenden Berechnungen auf Landkreisebene vor, die die Umstellung auf ein vollständig dezentrales erneuerbares Energiesystem skizzieren. Die Studie zeigt: Haushaltstrompreise müssen nicht steigen, sondern können auf dem heutigen Niveau bei rund 30 Eurocent pro kWh bleiben. Der Mobilitätsbedarf lässt sich sogar günstiger als bisher decken.

„Im Landkreis Bad Kissingen wurde – insbesondere von Landrat Thomas Bold mit seiner vehementen Ablehnung überregionaler Leitungen wie der SüdLink-Trasse – immer betont, dass der Strom stattdessen in der Region erzeugt werden solle“, erinnert Hans-Josef Fell, Präsident der EWG und ehemaliger Abgeordneter im Deutschen Bundestag für Bad Kissingen. „Jetzt kann und muss der Landkreis neue Regionalpläne anstoßen, zum Beispiel für den Ausbau von Windkraft und Solarenergie, anders wird sein Bekenntnis zur eigenen Stromerzeugung unglaubwürdig bleiben.“ „Einen Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt es aktuell im Landkreis außer im Solarsektor so gut wie gar nicht mehr“, so Fell weiter.

Der Ausbau für eine vollständig auf Erneuerbaren Energien beruhende Versorgung erfordert nach den Berechnungen der EWG folgende Infrastruktur im Landkreis Bad Kissingen:

  • Bau von 48 Windkraftanlagen (je 5 MW), zusätzlich zu den heute 33 Anlagen mit durchschnittlich 2,5 MW.
  • Ausbau von PV-Dachanlagen von heute 58 MW auf zukünftig 200 MW und Ausbau der PV-Freiflächenanlagen von heute 36 MW auf zukünftig 413 MW.
  • Ausbau der kleineren Bio-KWK-Anlagen (Bioenergie und grüner Wasserstoff) von heute 3 MW auf zukünftig 81 MW.
  • Erhalt der gegenwärtigen Wasserkraftversorgung mit einer installierten Leistung von 1,6 MW und einer Erzeugung von etwa 5,5 MWh.
  • Ausbau der Speicherkapazitäten auf 142 MWh Batteriespeicher, 812 MWh Wärmespeicher und 2.898 MWh Wasserstoffspeicher.
  • Umstellung der Antriebe im Verkehrssektor (u.a. PKW und ÖPNV) auf elektrische Antriebe.

„In unserem ländlich strukturierten Landkreis gibt es genügend Flächen, um diese Infrastruktur aufzubauen“, betont Norbert Schmäling, Mitautor der Studie. „Immerhin bekommen wir dafür Klimaschutz, eine sichere heimische Energieversorgung und vermeiden den Abfluss von Kaufkraft in Höhe von etwa 350 Mio. Euro, die dem Landkreis jährlich für Energieimporte verloren gehen.“ Statt hohe Summen in Erdöl- und Erdgasimporte aus Saudi-Arabien und Russland zu investieren, könnte die regionale Wertschöpfung mit vielen neuen Arbeitsplätzen gestärkt werden, argumentiert Schmäling weiter.

„Die jährlichen Ausgaben im Landkreis für die Energiebereitstellung können so sogar auf unter 200 Mio. Euro deutlich sinken,“ erklärt Dr. Thure Traber, wissenschaftlicher Leiter der Energy Watch Group und federführender Autor der Studie. „Die Simulation ist mit vergleichsweise konservativen Annahmen gerechnet, denn die Kosten für Schlüsseltechnologien wie Solarzellen, Wärmepumpen und Batterien sinken ja kontinuierlich weiter. Zusätzlich ließen sich mit Effizienzmaßnahmen wie der stärkeren Sanierung des Gebäudebestandes sogar weitere Energiekosteneinsparungen erzielen, die aber in der vorliegenden Kalkulation nicht eingerechnet seien.

Vor knapp einem Jahr hatte die Energy Watch Group gemeinsam mit der finnischen LUT University eine umfangreiche Modellierung für eine globale Vollversorgung mit 100% Erneuerbaren Energien veröffentlicht. Das eindrucksvolle Ergebnis dieser Studie habe die Wissenschaftler der EWG zu der Entwicklung eines eigenständigen Modells ermutigt, das eine solche Umstellung nun auch für einzelne Regionen wie zum Beispiel Landkreise vergleichsweise schnell durchrechnen kann.

Die Studie ist hier online frei verfügbar.

Pressekontakt: Charlotte Hornung / +49 30 609898815 / hornung(a)energywatchgroup.org

 

 Über die Energy Watch Group  

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges, überparteiliches globales Netzwerk von Wissenschaftler*innen und Parlamentarier*innen. Die EWG erstellt Forschungen und veröffentlicht unabhängige Studien und Analysen über die globale Energieentwicklung. Ziel der EWG ist es, der Energiepolitik objektive Informationen zu verschaffen.

Berlin, den 20. März, 2018. Bei seinem Staatsbesuch in Indien vereinbarte Frankreichs Präsident Macron mit Indiens Regierungschef Narendra Modi letzte Woche den Verkauf von sechs französischen EPR-Reaktoren für das größte Atomkraftwerk, geplant in Jaitapur. Unbeachtet bleibt, dass Indien bisher den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat. Das Plutonium aus den Reaktoren könnte vollständig, ohne internationale Kontrolle, für den Bau von Atomwaffen eingesetzt werden. Auch energiewirtschaftlich sind alle EPR- Bauprojekte der letzten Jahre hochproblematisch.

Der “European Pressurized Reactor” (EPR), ein Druckwasserreaktor der in den 1990er Jahren als der Anstoß zur Renaissance der europäischen Atomwirtschaft galt, erweist sich als finanzielles und technisches Desaster. Ein neuer Bericht der Energy Watch Group zeigt, dass die von der Nuklearindustrie versprochenen wirtschaftlichen und energetischen Gewinne bei Weitem nicht realisiert wurden.

Die nach wie vor unvollendeten EPR-Reaktorbauten in Flamanville (Frankreich), Olkiluoto (Finnland) und Hinkley Point C (Großbritannien) stehen exemplarisch für die Verfehlungen der Atomindustrie. Jahrelange Verzögerungen der Inbetriebnahmen, gravierende Sicherheitsmängel sowie explodierende Baukosten in Milliardenhöhe sind wiederkehrende Merkmale aller bisherigen EPR-Bauprojekte.

Nur durch milliardenschwere staatliche Rettungspakete konnte der Weiterbau bisher sichergestellt werden. In Folge dessen erhöht sich der Druck und das Risiko für einen Bankrott vor allem für die französischen Atomkonzerne AREVA und EDF. Eine Entwicklung, deren Auswirkungen man bereits beim US-japanischen Atomunternehmen Westinghouse beobachten konnte.

Die Versprechen von “inhärent sicheren” EPR-Reaktoren haben sich nicht bewahrheitet, vielmehr wandelte sich die Technologie zu einer enormen Last für europäische Steuerzahler. Es ist höchste Zeit die Atomenergie zu einem Ende kommen zu lassen, sowohl durch einen wirksamen Ausstieg aus laufenden Projekten, als auch durch die Verweigerung von neuen Investitionen.”, äußerte sich Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Co-Autor der Übersichtsstudie. “Erneuerbare Energien sind die sicherste und kostengünstigste Lösung heutzutage. Das Festhalten an Nuklearen Energieträgern entbehrt jeglicher rationaler Argumentation.”

“Die Sicherheitsrisiken des alternden europäischen Atomkraftwerksparks wachsen stetig. Die neue Generation der EPR-Reaktoren erhöht sogar noch die Bedrohung für die Sicherheit und Finanzen der Bevölkerung. Die nukleare Dreieckbeziehung “Fessenheim-Flamanville-Hinkley Point” demonstriert eindrücklich die verheerende Verflechtung aus bestehenden und neuen Mängeln.” So Eva Stegen, Co-Autorin der Informationsschrift und Energiereferentin der genossenschaftlichen Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Die Veröffentlichung der Energy Watch Group “Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft” dokumentiert die fatalen Entwicklungen der EPR-Bauprojekte unter den Augen der Europäischen Union.

  • Bisher lässt die Fertigstellung der EPR-Bauprojekte in der EU auf sich warten. So verschob sich die prognostizierte Inbetriebnahme des Hinkley Point C (GB) zu Weihnachten 2017 zuletzt auf 2027. Gleichsam rückte der Termin für Flamanville bereits von 2012 auf 2020. Das finnische AKW Oulkilouto liegt inzwischen 12 Jahre hinter dem geplanten Beginn der Energieproduktion.
  • Massive Kostenüberschreitungen kennzeichnen die EPR-Projekte. Die ursprünglichen Kosten haben sich von jeweils 3 Mrd. Euro auf ca. 10,5 Mrd. Euro bei Flamanville und 8,5 Mrd. Euro bei Olkiluoto, mehr als verdreifacht.
  • Mittlerweile haben sich Schulden in Höhe von 61 Mrd. Euro bei EDF sowie bei AREVA eine Summe von 10 Mrd. Euro angesammelt. Der französische Staat musste AREVA mit 4,5 Mrd. Euro subventionieren. EDF konnte nur noch durch 3 Mrd. Euro Kapitalerhöhung gerettet werden.
  • Im Februar 2013 wurde bekannt, dass die nukleare Reinigung des Atomstandortes Sellafield bis zu diesem Zeitpunkt bereits fast 70 Mrd. Pfund gekostet hatte. Jedes Jahr kommen etwa 1,6 Mrd. Pfund dazu.
  • Die britische Regierung hält am Bau des neuen EPR-Atomreaktors Hinkley Point C fest, obwohl eine nicht veröffentlichte Regierungsstudie belegt, dass Wind- und Solarstrom im Vergleich zu dem geplanten AKW Hinkley Point C um die Hälfte günstigeren Strom erzeugen würden
  • Die treibende Kraft hinter der regierungsseitigen Affinität zur Atomtechnologie ist in der Quersubventionierung des militärischen Atomprogramms zu suchen. Die Wissenschaftler Emily Cox, Phil Johnstone und Andrew Stirling (SPRU, Universität Sussex) haben in einer umfassenden Studie detailliert nachgewiesen, was von militärischer Seite offen kommuniziert, von der Energiepolitik jedoch vehement geleugnet wird: die Aufrechterhaltung des zivilen Atomprogramms entlastet den Verteidigungshaushalt.
  • Von der durch die Atomindustrie beschworenen “inhärenten Sicherheit” sind die EPR-Projekte weit entfernt. Die entstandenen technischen Problematiken der EPR sind inzwischen irreversibel. Durch schwere Mängel in Boden und Deckel des Reaktordruckbehälters in Flamanville kann ein sicherer Betrieb nicht gewährleistet werden. EU-weite Forschungsprojekte zur vierten Generation von Atomreaktoren sind ein indirektes Eingeständnis für die fehlende inhärente Sicherheit von Atomreaktoren, einschließlich der EPR.
  • Die Wahrscheinlichkeit für Terroranschläge und Cyber-Angriffe auf Atomkraftwerke wächst zunehmend. Im Atomkraftwerk Hinkley Point C ist die gesamte Reaktorsicherheit über ein digitales Kontrollsystem geregelt. Dies führt nicht nur zu einer hohen Fehleranfälligkeit, sondern macht das System auch extrem empfänglich für digitale Angriffe.
  • Erneuerbare-Energien-Technologien sind wesentlich günstiger, schneller zu installieren und fähig unschädliche und sichere Energie zu liefern. Eine unlängst veröffentlichte Studie der Energy Watch Group und Lappeenranta University of Technologie belegt nachdrücklich, dass erneuerbare Energien zusammen mit Speichersystemen die völlige Versorgungssicherheit auch ohne Grundlast schaffen können und das zu wettbewerbsfähigen Kosten.

 

Den vollständigen Bericht finden Sie hier auf deutsch, english, français.

Presse Kontakt: Charlotte Hornung, Energy Watch Group, Tel: +49 30 609 898 810, office©energywatchgroup.org

Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die EWG erstellt Forschungen und unabhängige Studien und Analysen über globale Energieentwicklung.

November 8, 2017, Bonn – Eine weltweite Energiewende hin zu 100% erneuerbarer Stromversorgung ist nicht mehr nur eine reine Zukunftsvision, sondern greifbare Realität, welche durch die bahnbrechende neue Studie der Lappeenranta University of Technology (LUT) zusammen mit der Energy Watch Group (EWG), präsentiert wird. Die Studie wurde am 8 November 2017 während des Global Renewable Energy Solution Showcase Events (GRESS) im Rahmen der Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP23 in Bonn präsentiert.

Die Studie liefert aufschlussreiche Ergebnisse: Ein weltweites Elektrizitätssystem das komplett auf erneuerbaren Energien basiert, schafft Versorgungssicherheit zu jeder Stunde über das komplette Jahr und dabei auch noch kosteneffizienter als das aktuelle Stromsystem, welches hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen und Kernkraft basiert.

Das Potential erneuerbarer Energien und die dafür notwendigen Technologien, z.B. Stromspeicherungssysteme, sind in der Lage Elektrizität effizient und sicher zu erzeugen und damit den weltweiten Strombedarf bis 2050 ganzjährig zu jeder Jahresstunde zu decken[1]. Die mittleren Stromkosten für 100% erneuerbare Energie im globalen Durchschnitt belaufen sich im Jahr 2050 auf 52 €/MWh (dies beinhaltet Kosten für Abregelungen und Speicherung, sowie Netzkosten), im Vergleich dazu beliefen sich die mittleren globalen Stromkosten im Jahr 2015 auf 70 €/MWh.

„Eine komplette Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors bis zum Jahr 2050 ist umsetzbar und dabei kostengünstiger als das heutige Stromsystem. Die Energiewende ist nicht länger eine Frage von technologischer Umsetzbarkeit oder wirtschaftlicher Rentabilität, sondern eine Frage des politischen Willens“ so Christian Breyer, Hauptautor der Studie, LUT Professor für Solarwirtschaft und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Energy Watch Group.

Eine Wende hin zu 100% erneuerbaren Energien würde die Treibhausgasemissionen im Stromsektor auf null reduzieren und die Energieverluste im Stromsystem drastisch verringern. Zudem würde es 36 Mio. Arbeitsplätze geben, 17 Mio. mehr als heutzutage im Stromsektor beschäftigt sind.

„Es gibt keinen Grund auch nur einen weiteren Dollar in fossile oder nukleare Energiegewinnung zu investieren.“ sagt Energy Watch Group Präsident Hans-Josef Fell. „Erneuerbare Energie bietet eine kosteneffiziente Stromversorgung. Alle Investitionspläne in Stromerzeugung mit Kohle, Kernkraft, Erdgas oder Erdöl müssen eingestellt werden und sollten umgelenkt werden in die Bereiche erneuerbarer Energie und die dafür notwendige Infrastruktur. Alles andere würde nur unnötige Kosten bedeuten und die Klimaerwärmung weiter verschlimmern.“

Die Schlüsselerkenntnisse der Studie:

  • Das Potential erneuerbarer Energien und der Technologien dahinter, inklusive Stromspeicherungssysteme, sind in der Lage Strom effizient und sicher zu erzeugen und damit den weltweiten Energiebedarf bis 2050 zu decken. Es wird prognostiziert, dass die Weltbevölkerung von 7,3 Mrd. auf 9,7 Mrd. Menschen anwächst. Daher wird auch der weltweite Energiebedarf im Energiesektor von 24.310 TWh im Jahr 2015 auf ungefähr 48.800 TWh im Jahr 2050 ansteigen.
  • Die durchschnittlichen Stromkosten (LCOE) für 100% erneuerbare Energien belaufen sich auf 52 €/MWh im Jahr 2050 (diese beinhalten Kosten für Abregelungen, Speicher- und Netzkosten), während es im Jahr 2015 noch 70 €/MWh waren.
  • Auf Grund von stark fallenden Kosten werden Photovoltaik und Batteriespeicherung die wichtigsten Pfeiler des erneuerbaren Energiesystems sein. Photovoltaik wird 69%, Windenergie 18%, Wasserkraft 8% und Bioenergie 2% des globalen Strommix im Jahr 2050 ausmachen.
  • Bis 2030 wird Windenergie 32% des Strombedarfs weltweit decken. Jedoch wird nach 2030 Photovoltaik wettbewerbsfähiger. Daher steigt der prozentuale Anteil von Photovoltaik im globalen Stromsektor von 37% im Jahr 2030 auf 69% im Jahr 2050.
  • Batterien stellen die Schlüsseltechnologie für Photovoltaik dar. 31% des globalen Strombedarfs im Jahr 2050 wird von Speichern abgedeckt, wovon wiederum 95% durch Batteriespeicher bereitgestellt wird. Batteriespeicher werden vor allem die täglichen Schwankungen ausgleichen, während Gas, aus erneuerbaren Energien erzeugt, die saisonale Speicherung decken wird.
  • Weltweit werden sich die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren, von ungefähr 11 GtCO2eq im Jahr 2015 hin zur emissionsfreien Energiegewinnung bis 2050 oder sogar früher, während die durchschnittlichen Stromkosten im Stromversorgungssystem sinken.
  • Die weltweite Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Energien schafft 36 Mio. Arbeitsplätze bis 2050, im Vergleich zu 19 Mio. Arbeitsplätzen im Stromsektor im Jahr 2015.
  • Der Gesamtverlust eines 100% erneuerbaren Energiesystems beläuft sich auf rund 26% des gesamten Endenergiebedarfs. Im Vergleich dazu weist das aktuelle Stromsystem einen Verlust von rund 58% der Primärenergie auf. 

Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100% Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ wird tiefgreifende Auswirkungen für politische Entscheidungsträger und Politiker weltweit haben. Die Studie widerlegt ein oft von Kritikern der Energiewende zitiertes Argument, dass erneuerbare Energien nicht in der Lage wären Strom ganzjährig zu jeder Tageszeit zu liefern.

Die verwendete Modellierung, entwickelt von der LUT, ist bislang einzigartig und berechnet den kostenoptimierten Mix von Technologien auf Grundlage von lokal verfügbaren erneuerbaren Energieressourcen, wobei die Welt in 145 Regionen eingeteilt ist. Demnach wird ein kosteneffizienterer Pfad für eine Energieversorgung in jeder der 145 Regionen berechnet auf Grundlage einer stündlichen Auflösung für ein gesamtes Jahr.

Das Szenario der weltweiten Energiewende wird in 5-Jahres Abschnitten für den Zeitraum von 2015 bis 2050 berechnet. Die Ergebnisse wurden dann in neun Hauptregionen der Welt zusammengefasst, bestehend aus: Europa, Eurasien, Mittlerer Osten und Nordafrika, Sub-Sahara Afrika, Südasien, Nordost Asien, Südost Asien, Nordamerika und Südamerika.

Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100% Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ ist durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und die Stiftung Mercator ko-finanziert.

Finden sie hier die wichtigsten Erkenntnisse (auf Deutsch) und die Kurzfassung der Studie (auf Englisch).

Die komplette Studie (auf Englisch) finden Sie hier.

Eine Präsentation zu den globalen Ergebnissen und weitere Links zu Regionen und Ländern finden Sie hier.

Presse Kontakt: Charlotte Hornung, Energy Watch Group, Tel: +49 30 609 898 810, presse©energywatchgroup.org

Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die EWG erstellt Forschungen und unabhängige Studien und Analysen über globale Energieentwicklung.

[1] Die Simulation des weltweiten Energiesektors in dieser Studie wurde bis 2050 durchgeführt. Es ist jedoch, unter günstigen politischen Rahmenbedingungen möglich, dass die Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Energien schon vor 2050 erreicht werden kann.

Im neuen World Energy Outlook untergräbt die Internationale Energieagentur mit ihrer Aufforderung zur vermehrten Investition in Erdöl und Gas ihren eigenen Aufruf zum Klimaschutz.

30 November 2016, Berlin – Die Internationale Energieagentur (IEA) untergräbt in ihrem World Energy Outlook (WEO) 2016 die positiven Botschaften für aktiven Klimaschutz und den Ausbau Erneuerbarer Energien mit ihrer Aufforderung, weiterhin in fossile Energien, vor allem in Erdöl und Erdgas zu investieren, wie die Analyse der Energy Watch Group zeigt.

Der heute in Berlin präsentierte „World Energy Outlook“ Bericht mahnt angesichts der 2015 und 2016 niedrigsten Ölfunde seit mehr als 60 Jahren und des niedrigen Ölpreises zu verstärkten Investitionen in den Öl- und Gassektoren. Dabei lässt die IEA außer Acht, dass die niedrigen Investitionen vor allem der Erschöpfung existierender und dem Mangel neuer Vorkommen geschuldet ist. Aber auch hohe Preise werden nicht ausreichen, um fehlende Fördermöglichkeiten hinreichend zu kompensieren, insbesondere weil immer günstiger werdende Erneuerbare Energien die Wettbewerbsfähigkeit der fossilen zunehmend schmälern.

„Auch wenn die Ölpreise wieder steigen würden, wird es in Zukunft keine Ölförderungen auf dem heutigen Niveau mehr geben können, weil deren Verfügbarkeit zurückgeht. Die IEA schadet mit ihrem Aufruf für neue Ölinvestitionen nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der globalen Energiesicherheit, denn ein steiler Ausbau der Erneuerbaren Energien kann die sich ergebende Versorgungslücke decken, Ölinvestitionen aber nicht“, so der Präsident der Energy Watch Group und frühere Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell.

„Doch selbst im optimistischen Szenario projiziert die IEA weit unter den bereits heute realisierten Ausbaugeschwindigkeiten von Erneuerbaren Energien und täuscht so die Öffentlichkeit erneut über die tatsächlich realisierbaren Möglichkeiten von Solar- und Windenergie, sowie der Elektromobilität “, so Fell.

Die Energy Watch Group Analyse zeigt: die IEA bedient sich zwar im WEO2016 eines positiven Tons in Bezug auf Erneuerbare Energien, geht aber weiterhin von einem langsameren Ausbau von Solar- und Windenergie aus, als er in den letzten acht Jahren bereits realisiert wurde. Dabei ignoriert die IEA zusätzlich die neue Dynamik in Folge des Pariser Klimaschutzabkommens.

Selbst in ihrem ambitioniertesten 450-Szenario wird ein Peak von neuen solar PV und Windenergieinstallationen für das Jahr 2030 prognostiziert. Dabei liefert die IEA keine Begründung, warum die immer noch kostengünstiger werdende Solar- und Windstromerzeugung trotz eines weiterhin zunehmenden globalen Energiebedarfs einen netto Zubaurückgang der Installationen erfahren sollte.

„Ein Rückgang der netto zugebauten Kapazitäten ab 2030 steht in krassem Widerspruch zu Einschätzungen führender internationaler Marktbeobachter. Die als sehr langsam angenommene Marktdurchdringung von Windkraft und Photovoltaik ist ebenfalls im Widerspruch mit den schon erreichten Änderungsraten des weltweiten Energiesystems der letzten 10 Jahre“, so Christian Breyer, Professor für Solarökonomie an der Lappeenranta University of Technology in Finnland und wissenschaftlicher Beirat der Energy Watch Group.

Im „New Policies Szenario“ (NPS) sind die Kostenannahmen der IEA für Photovoltaik in Indien im Jahr 2040 800 USD/kWp, obwohl die Kosten für PV-Kraftwerke im Jahr 2016 laut der indischen Regierung ca. 710 USD (€670)/kWp betragen. Außerdem unterschätzt die IEA weiterhin massiv den Ausbau im E-Mobilität-Sektor. Beispielsweise wird noch im Jahre 2040 die Ölabhängigkeit des Verkehrs bei 80% oder mehr gesehen.

Weitere Beispiele für kontroverse IEA Projektionen im World Energy Outlook 2016:

– Die IEA geht davon aus, dass Europas Gasimporte aus Russland 2040 auf heutigem Niveau bleiben werden. Sie projiziert außerdem, dass Russland seine Förderung bis 2040 um 20% erhöhen wird. Dabei ignoriert die IEA die Tatsache, dass die Gasförderung in Russland und insbesondere beim für Europa besonders relevanten Förderer Gazprom, stark zurückging. So förderte Gazprom im Jahr 2015 nur noch 419 Milliarden m3, so wenig wie zuletzt im Jahre 1985.

– Im NPS-Szenario suggeriert die IEA einen Nettozubau an Nuklearkraftwerkskapazität von 65 GW, im 450-Szenario sogar von ca. 160 GW. Der für 2025 im NPS angedeutete Bruttozubau von 131 Reaktoren bedingt, dass innerhalb der kommenden 8-9 Jahre etwa doppelt so viele wie die derzeit im Bau befindlichen 60 Reaktoren fertiggestellt werden – eine Annahme, die allen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte widerspricht.

– Die IEA geht weiterhin von einem Anstieg des Kohleverbrauchs bis 2040 aus, auch wenn dieser im NPS gering ist. Einzig das 450-Szenario sieht die Halbierung des heutigen Kohleverbrauchs bis 2040 vor. Dabei gibt der sich 2016 abzeichnende Rückgang der Kohleförderung von 10% in China zusammen mit dem großen Wertverlust vieler westlicher Kohleunternehmen genügend Rechtfertigung um einen deutlicheren Rückgang der Kohlenutzung als das wahrscheinlichste Szenario anzunehmen.

„Man wünschte sich, dass die IEA das 450-Szenario angesichts der realen Änderungen der chinesischen Kohlepolitik und des inzwischen völkerrechtlich wirksamen Pariser Klimaschutzabkommen in den Status des „NPS“ erhoben hätte. Darüber hinaus ist die IEA immer noch blind auf beiden Augen, was die Rolle der Erneuerbaren Energien, aber im umgekehrten Sinne auch die Rolle der Kernenergie betrifft,“ so Werner Zittel, Senior Energieexperte bei Ludwig-Bölkow-Systemtechnik und wissenschaftlicher Beirat der Energy Watch Group.

2015 hatte die Energy Watch Group zusammen mit der Lappeenranta Universität in einer Reihe von Studien gezeigt, dass die IEA in ihrem World Energy Outlook zwischen 1994 und 2015 anhaltend irreführende Projektionen zu Solar- und Windenergie veröffentlicht hat.