Berlin, den 20. März, 2018. Bei seinem Staatsbesuch in Indien vereinbarte Frankreichs Präsident Macron mit Indiens Regierungschef Narendra Modi letzte Woche den Verkauf von sechs französischen EPR-Reaktoren für das größte Atomkraftwerk, geplant in Jaitapur. Unbeachtet bleibt, dass Indien bisher den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat. Das Plutonium aus den Reaktoren könnte vollständig, ohne internationale Kontrolle, für den Bau von Atomwaffen eingesetzt werden. Auch energiewirtschaftlich sind alle EPR- Bauprojekte der letzten Jahre hochproblematisch.

Der “European Pressurized Reactor” (EPR), ein Druckwasserreaktor der in den 1990er Jahren als der Anstoß zur Renaissance der europäischen Atomwirtschaft galt, erweist sich als finanzielles und technisches Desaster. Ein neuer Bericht der Energy Watch Group zeigt, dass die von der Nuklearindustrie versprochenen wirtschaftlichen und energetischen Gewinne bei Weitem nicht realisiert wurden.

Die nach wie vor unvollendeten EPR-Reaktorbauten in Flamanville (Frankreich), Olkiluoto (Finnland) und Hinkley Point C (Großbritannien) stehen exemplarisch für die Verfehlungen der Atomindustrie. Jahrelange Verzögerungen der Inbetriebnahmen, gravierende Sicherheitsmängel sowie explodierende Baukosten in Milliardenhöhe sind wiederkehrende Merkmale aller bisherigen EPR-Bauprojekte.

Nur durch milliardenschwere staatliche Rettungspakete konnte der Weiterbau bisher sichergestellt werden. In Folge dessen erhöht sich der Druck und das Risiko für einen Bankrott vor allem für die französischen Atomkonzerne AREVA und EDF. Eine Entwicklung, deren Auswirkungen man bereits beim US-japanischen Atomunternehmen Westinghouse beobachten konnte.

Die Versprechen von “inhärent sicheren” EPR-Reaktoren haben sich nicht bewahrheitet, vielmehr wandelte sich die Technologie zu einer enormen Last für europäische Steuerzahler. Es ist höchste Zeit die Atomenergie zu einem Ende kommen zu lassen, sowohl durch einen wirksamen Ausstieg aus laufenden Projekten, als auch durch die Verweigerung von neuen Investitionen.”, äußerte sich Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Co-Autor der Übersichtsstudie. “Erneuerbare Energien sind die sicherste und kostengünstigste Lösung heutzutage. Das Festhalten an Nuklearen Energieträgern entbehrt jeglicher rationaler Argumentation.”

“Die Sicherheitsrisiken des alternden europäischen Atomkraftwerksparks wachsen stetig. Die neue Generation der EPR-Reaktoren erhöht sogar noch die Bedrohung für die Sicherheit und Finanzen der Bevölkerung. Die nukleare Dreieckbeziehung “Fessenheim-Flamanville-Hinkley Point” demonstriert eindrücklich die verheerende Verflechtung aus bestehenden und neuen Mängeln.” So Eva Stegen, Co-Autorin der Informationsschrift und Energiereferentin der genossenschaftlichen Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Die Veröffentlichung der Energy Watch Group “Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft” dokumentiert die fatalen Entwicklungen der EPR-Bauprojekte unter den Augen der Europäischen Union.

  • Bisher lässt die Fertigstellung der EPR-Bauprojekte in der EU auf sich warten. So verschob sich die prognostizierte Inbetriebnahme des Hinkley Point C (GB) zu Weihnachten 2017 zuletzt auf 2027. Gleichsam rückte der Termin für Flamanville bereits von 2012 auf 2020. Das finnische AKW Oulkilouto liegt inzwischen 12 Jahre hinter dem geplanten Beginn der Energieproduktion.
  • Massive Kostenüberschreitungen kennzeichnen die EPR-Projekte. Die ursprünglichen Kosten haben sich von jeweils 3 Mrd. Euro auf ca. 10,5 Mrd. Euro bei Flamanville und 8,5 Mrd. Euro bei Olkiluoto, mehr als verdreifacht.
  • Mittlerweile haben sich Schulden in Höhe von 61 Mrd. Euro bei EDF sowie bei AREVA eine Summe von 10 Mrd. Euro angesammelt. Der französische Staat musste AREVA mit 4,5 Mrd. Euro subventionieren. EDF konnte nur noch durch 3 Mrd. Euro Kapitalerhöhung gerettet werden.
  • Im Februar 2013 wurde bekannt, dass die nukleare Reinigung des Atomstandortes Sellafield bis zu diesem Zeitpunkt bereits fast 70 Mrd. Pfund gekostet hatte. Jedes Jahr kommen etwa 1,6 Mrd. Pfund dazu.
  • Die britische Regierung hält am Bau des neuen EPR-Atomreaktors Hinkley Point C fest, obwohl eine nicht veröffentlichte Regierungsstudie belegt, dass Wind- und Solarstrom im Vergleich zu dem geplanten AKW Hinkley Point C um die Hälfte günstigeren Strom erzeugen würden
  • Die treibende Kraft hinter der regierungsseitigen Affinität zur Atomtechnologie ist in der Quersubventionierung des militärischen Atomprogramms zu suchen. Die Wissenschaftler Emily Cox, Phil Johnstone und Andrew Stirling (SPRU, Universität Sussex) haben in einer umfassenden Studie detailliert nachgewiesen, was von militärischer Seite offen kommuniziert, von der Energiepolitik jedoch vehement geleugnet wird: die Aufrechterhaltung des zivilen Atomprogramms entlastet den Verteidigungshaushalt.
  • Von der durch die Atomindustrie beschworenen “inhärenten Sicherheit” sind die EPR-Projekte weit entfernt. Die entstandenen technischen Problematiken der EPR sind inzwischen irreversibel. Durch schwere Mängel in Boden und Deckel des Reaktordruckbehälters in Flamanville kann ein sicherer Betrieb nicht gewährleistet werden. EU-weite Forschungsprojekte zur vierten Generation von Atomreaktoren sind ein indirektes Eingeständnis für die fehlende inhärente Sicherheit von Atomreaktoren, einschließlich der EPR.
  • Die Wahrscheinlichkeit für Terroranschläge und Cyber-Angriffe auf Atomkraftwerke wächst zunehmend. Im Atomkraftwerk Hinkley Point C ist die gesamte Reaktorsicherheit über ein digitales Kontrollsystem geregelt. Dies führt nicht nur zu einer hohen Fehleranfälligkeit, sondern macht das System auch extrem empfänglich für digitale Angriffe.
  • Erneuerbare-Energien-Technologien sind wesentlich günstiger, schneller zu installieren und fähig unschädliche und sichere Energie zu liefern. Eine unlängst veröffentlichte Studie der Energy Watch Group und Lappeenranta University of Technologie belegt nachdrücklich, dass erneuerbare Energien zusammen mit Speichersystemen die völlige Versorgungssicherheit auch ohne Grundlast schaffen können und das zu wettbewerbsfähigen Kosten.

 

Den vollständigen Bericht finden Sie hier auf deutsch, english, français.

Presse Kontakt: Charlotte Hornung, Energy Watch Group, Tel: +49 30 609 898 810, office©energywatchgroup.org

Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die EWG erstellt Forschungen und unabhängige Studien und Analysen über globale Energieentwicklung.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Projektionen der IEA zu PV nicht zuverlässig waren. Die Energy Watch Group hatte das im September 2015 ausführlich diskutiert. Die Analyse des aktuellen World Energy Outlook 2015 zeigt, dass die IEA offensichtlich auf ihren Einschätzungen im Rahmen der Szenarien für den World Energy Outlook verharrt. In diesem Beitrag soll dies am Beispiel der Projektionen für PV konkret aufgezeigt werden.

Die IEA hat das rasante Marktwachstum der erneuerbaren Energien der vergangenen Jahre und speziell beim Zubau von PV erneut ignoriert und ihr Szenario auf veralteten Daten aufgebaut. So wurde der Marktzuwachs 2014 und der bis September erkennbare neue Zubaurekord für das Jahr 2015 ignoriert, obwohl während der Berichtserstellung diese Daten bereits verfügbar gewesen wären. Insbesondere trifft die IEA die höchst unwahrscheinliche Annahme, dass ab dem Jahr 2014 das Marktwachstum für Photovoltaik abbricht und für die kommenden Jahrzehnte der jährliche Zubau geringer als im Jahr 2013 ausfällt. Für einen noch in den Anfängen steckenden Weltmarkt sind das irrationale Annahmen, die nur dann denkbar wären, falls politische Entscheidungen Solarstrom weltweit als unerwünscht reglementieren würden.

Abbildung 1: PV-Zubau – Realität bis 2014 (IEA PVPS 2015), Szenario nach WEO 2015 (NPS)

Abbildung 1 zeigt das jährliche Marktvolumen für PV. Die schwarz durchgezogene fette Linie zeigt die realen Zubauzahlen der Jahre 1990 bis 2015. Für 2015 wurde allerdings eine Schätzung von internationalen Marktanalysten zugrunde gelegt, die Ende September auf einen Jahreszubau von 55-60 GW schließen lässt. Im World Energy Outlook werden keine konkreten Zubauzahlen genannt. Diese kann man aber aus der jährlich insgesamt installierten Leistung rückrechnen. Da die Werte im WEO nur in Fünf-Jahres-Schritten angegeben werden, hat die Energy Watch Group ein Aufbauszenario durchgerechnet, dessen kumulierte installierte Leistung jeweils mit den im WEO in Fünf-Jahres-Schritten genannten Leistungen übereinstimmt. Für jede Zeitperiode wurde eine konstante Zubaurate ermittelt, um im Stichjahr, den exakten Wert abzubilden.

Mindestens bis 2035 bleibt gemäß WEO 2015 im New Policies Szenario die jährliche Zubaurate unter dem Wert von 2013. Die Energy Watch Group hat in ihren Berechnungen verschiedene Annahmen über die Lebensdauer der Anlagen getroffen. Bei einer Lebensdauer von 30 Jahren muss ab 2035 beginnend ein schnell zunehmender Anteil von Altanlagen substituiert werden. Dieses berücksichtigend, bedeuten die Annahmen der IEA, dass ab 2035 der Nettozubau nochmals deutlich zurückgeht.

Bei der Annahme einer Anlagenlebensdauer von 25 Jahren verschiebt sich der Beginn der Substitution alter Anlagen um 5 Jahre. Wenn man dies berücksichtigt, dann bleibt die Nettozubaurate im WEO 2015 bis 2030 unter den im Jahr 2013 bereits real erlebten Zubauraten. Danach muss die Bruttozubaurate jedoch deutlich zunehmen. In Tabelle 1 sind die für die jeweiligen Perioden errechneten Bruttozubauraten zusammengestellt, die zu den im IEA-Szenario dargestellten installierten Leistungen führen.

Tabelle 1: PV-Marktwachstumsraten

Die im letzten 5 Jahresintervall entgegen dem Trend der Vorjahre benötigte erhöhte Zubaurate ist wenig plausibel, so dass die Annahme nahe liegt, dass die IEA in den Szenarien den Ersatzbedarf nicht berücksichtigt hat.

In der Abbildung sind ebenfalls die Zubauraten eingetragen, wie sie im WEO 2013 und WEO 2014 benutzt wurden. Hier wurden allerdings vereinfacht jeweils nur die gemittelte Nettozubaurate aus Differenz der installierten Leistungen errechnet. Dennoch zeigt sich, wie die Systematik der IEA fortgeführt wird. In jedem Szenario wird unterstellt, dass das Marktwachstum zu Beginn der Szenarioperiode am Maximum angekommen ist und künftig zurückgehen wird.

Auch andere Institutionen befassen sich mit Marktszenarien für die Solarstromerzeugung. Mit am bekanntesten ist das in regelmäßigen Updates erstellte Szenario energy [r]evolution, das im Jahr 2015 gemeinsam von Greenpeace, GWEC und SPE beauftragt und vom renommierten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt durchgeführt wurde.

Abbildung 2 zeigt das IEA-Szenario gemeinsam mit energy [r]evolution 2015 und den Prognosen von Bloomberg New Energy Finance (BNEF), veröffentlicht im ‚New Energy Outlook 2015‘. Energy [r]evolution schreibt das empirisch beobachtete Marktwachstum der vergangenen Jahre fort. In den vorhergehenden Berichten von energy [r]evolution konnte man beobachten, dass die Projektionen recht gut mit der realen Entwicklung übereinstimmten. Dies trifft nicht nur auf die Photovoltaik, sondern in ähnlichem Maße auch auf die Windenergie zu.

Es fällt schwer, den WEO-Szenarien keine Absicht zu unterstellen. Solche Szenarien können nicht als glaubwürdig wahrgenommen werden.

Abbildung 2: PV-Zubau – Szenario nach WEO 2015 (NPS) und Greenpeace – energy [r]evolution 2015

Der Rückgang des Zubaus im Greenpeace energy [r]evolution Szenario ab dem Jahr 2040 ist damit begründet, dass schon eine fast 100% erneuerbare Energieversorgung erreicht ist und daher fossile und nukleare Kraftwerke bereits substituiert sind und daher nur ein Substitutionsbedarf für schon gebaute Anlagen besteht, der in vollem Volumen aber aufgrund der langen technischen Lebensdauer der PV-Anlagen erst später einsetzt. Zu berücksichtigen ist, dass andere Autoren höhere Zubauraten um die Jahrhundertmitte erwarten und insbesondere keinen Rückgang, was im Wesentlichen darin begründet ist, dass einerseits ein höherer Anteil von PV im Energiemix und andererseits ein höherer insgesamter weltweiter Energiebedarf angenommen wird.

Die weltpolitischen ökonomischen Rahmenbedingungen zeigen auf ein weiteres sich gegenüber den bisherigen Zubauraten sogar noch beschleunigtes Wachstum hin: Die Kosten für die PV werden weiter sinken, gleichzeitig auch die Kosten für Batteriespeicher, womit ein weiteres Wachstum der PV-Zubauraten stimuliert werden wird. Gleichzeitig steigen immer mehr Finanzinvestoren aus der Finanzierung fossiler und nuklearer Projekte aus (Divestment). Dies geschieht einerseits weil in Europa wegen politischer Blockaden eine grundlegende Reform des Strommarktdesigns nicht vorankommt und damit nur sehr schlechte Renditeerwartungen zulassen, andererseits weil in vielen Teilen der Welt Klimaschutz endlich auch bei immer mehr Finanzinvestoren ernst genommen wird und letztlich private Investoren das unkalkulierbare Risiko von Kernkraft zunehmend scheuen. Dieses frei werdende Kapital wird verstärkt in Erneuerbare Energien investiert. Gerade angesichts dieser seit Jahren sehr dynamischen Entwicklung erscheint die IEA Prognose bei der PV und übrigens auch bei anderen Erneuerbaren Energien als völlig weltfremd.