Für mehr Investitionen in Sektorenkopplung und Innovationen: Energy Watch Group schlägt neues Gesetz für versorgungssichere Erneuerbare-Energien-Systeme vor

Berlin (07. April 2020) – Zeitlich passend zum 20-jährigen Bestehen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) präsentiert der Berliner Think-and-Do Tank Energy Watch Group (EWG) einen Gesetzesvorschlag zur Anreizung der Systemintegration Erneuerbarer Energien, wie der Spiegel exklusiv berichtete. Mit einer sogenannten Kombikraftwerksvergütung sollen systemdienliche Investitionen angeregt werden, um den Erneuerbaren Energien zu ermöglichen, die Verantwortung für die Systemsicherheit der Stromversorgung zu liefern – also zu jeder Stunde des Jahres den benötigten Energiebedarf zu decken, auch in Zeiten der Dunkelflaute. Ausreichen würde laut Berechnungen der EWG ein fester Vergütungssatz von 8 Cent/kWh mit Hilfe einer marktwirtschaftlichen gleitenden Marktprämie.

Der Anteil der Erneuerbaren am Strommix betrug in den ersten drei Monaten dieses Jahres über 50%, wie neue Rekordzahlen zuletzt zeigten. Trotzdem wird den Erneuerbaren Energien vielfach noch nicht die Fähigkeit zur ganzjährigen Vollversorgung zu jeder Jahresstunde zugetraut, obwohl dies aus Klimaschutzgründen notwendig und die technologische Reife, zusammen mit Speichertechnologien und digitaler Steuerungstechnologie, längst günstig vorhanden ist. Es fehlt bisher nur an einer gesetzlichen Grundlage, die deren Marktdurchsetzung ermöglicht.

„Das neu vorgeschlagene Sektorenkopplungs- und Innovationsgesetz für Erneuerbare Energien soll ein großer Anstoß werden, um die aktuellen Herausforderungen zur Überwindung der Corona-Wirtschaftskrise und der Klimakrise zu bewältigen. Dazu braucht es unbedingt Lösungsansätze, die sowohl die Wirtschaft stimulieren als auch das Klima schützen.“, so Hans-Josef Fell, der als EWG-Präsident und Autor des Gesetzesentwurfs EEG 2000 die neue Gesetzesinitiative federführend ausarbeitete.

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betont: „Erneuerbare Energien können und müssen endlich Verantwortung für die Systemsicherheit übernehmen. Die Energy Watch Group hat dafür einen diskussionswürdigen Gesetzesvorschlag auf den Tisch gelegt. Ziel muss es sein, den innovativsten und effizientesten Weg für eine Energieversorgung durch Erneuerbare Energien zu finden. Der Gesetzesvorschlag der Energy Watch Group ist für diese Debatte ein Beitrag, mit dem wir uns auch befassen werden.“

Die EEG-Umlage würde wegen des niedrigen Vergütungssatzes kaum belastet, dafür würde das Gesetz aber den sehr vielen Start-ups und etablierten Unternehmen einen Markt schaffen, die mit innovativen Systementwicklungen für Speicher, digitale Steuerungen, Ökostromerzeugung und Sektorenkopplung in den Startlöchern stehen, jedoch kein echtes Marktumfeld haben, um großflächig privat finanzierte Investitionen zu generieren.

„Die Vorteile der günstigen Energieerzeugungspreise können nun mit denen für Klimaschutz und Versorgungssicherheit zusammen ausgeschöpft werden, insbesondere wenn die Integration von der regionalen Ebene kommt und nicht nur von der Übertragungsnetzebene. Wenn die erforderlichen Technologien wie Batterien, Wasserstoff, Wärmepumpen und Wärmespeicher in Verbindung mit Solar- und Windenergie bedarfsgerecht und dezentral hochgefahren werden, können sich zusätzlich Innovationen und Wachstumsmärkte entwickeln.“ erklärt Dr. Thure Traber, wissenschaftlicher Leiter der EWG und Co-Autor des Gesetzesvorschlags.

Das neue Gesetz solle eigenständig eingesetzt werden und nicht den hohen Novellierungsbedarf im bestehenden EEG ersetzen. Es solle lediglich den notwendigen Marktanschub schaffen, damit Erneuerbare Energien in zunehmendem Maße Systemverantwortung übernehmen. Eine EU-rechtliche Prüfung des Gesetzesentwurfs zeige, dass die EU-Vorgaben eine Garantievergütung ermöglichen. Unterschieden wird dabei zwischen einer festen Einspeisevergütung pro eingespeister kWh für Kleinanlagen und einer gleitenden Marktprämie für größere Anlagen, die über Direktvermarktung am Stromwettbewerb teilnehmen.

Sofern das vorgeschlagene Gesetz zügig eine politische Mehrheit im Bundestag findet, können Kohleausstieg, sowie Ausstieg aus der klimaschädlichen Erdgasnutzung schnell vollzogen werden. Echter Klimaschutz wäre rasch realisierbar und nach Ende der Corona-Pandemie

auch eine schnelle Erholung der Wirtschaft zusammen mit dem notwendigen Umbau zu einer ökologisch sauberen Energieversorgung möglich.

Hier geht es zur Studie

Pressekontakt: Charlotte Hornung / +49 30 609898815 / hornung(a)energywatchgroup.org

 

 Über die Energy Watch Group  

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges, überparteiliches globales Netzwerk von Wissenschaftler*innen und Parlamentarier*innen. Die EWG erstellt Forschungen und veröffentlicht unabhängige Studien und Analysen über die globale Energieentwicklung. Ziel der EWG ist es, der Energiepolitik objektive Informationen zu verschaffen.

Umstellung von Kohle und Erdöl auf Erdgas erhöht Treibhauseffekt des Energieverbrauchs um rund 40%

Berlin (17. September 2019) -Die Bundesregierung plant am Freitag ihre Klimaschutzstrategie zu verabschieden.Vor diesem Hintergrund legte die Energy Watch Group am Montag die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Zukunftstauglichkeit von Erdgas vor, das von der Bundesregierung häufig als Beitrag zum Klimaschutz bezeichnet wird. Das zentrale Ergebnis entlarvt dieses vielfach verbreitete Bild von Erdgas als klimaschonende Brückentechnologie: Durch alarmierende Methanemissionen erhöht die Umstellung von Kohleverstromung und Ölheizung auf Erdgas den Treibhauseffekt der Energieversorgung um rund 40%. Somit leistet Erdgas entgegen der von weiten Teilen der Öffentlichkeit vermittelten Darstellung keinen Beitrag zum Klimaschutz, sondern verursacht stattdessen eine zusätzliche Beschleunigung des Klimawandels.

Die Studie des unabhängigen Berliner Think-and-Do-Tanks berechnet erstmalig die Klimawirkung einer fossil-fossilen Substitution durch Erdgas auf Basis der neuesten Forschung zu den Methan- und Kohlendioxidemissionen der gesamten Lieferkette. Zudem wurde die Klimawirkung hinsichtlich des für potenzielle Klima-Kipppunkte relevanten 20-Jahres Horizonts ausgewertet. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eventuelle CO2-Einsparungen durch die hohen Methanemissionen von Erdgas bei weitem überkompensiert werden, sodass eine Umstellung von Kohle und Erdöl im Strom-, Wärme-, und Verkehrssektor auf Erdgas die höchst negative Klimawirkung von Kohle und Erdöl sogar noch deutlich übertrifft.

„Die Studie bestätigt, dass die Förderung des höchst klimaschädlichen Erdgases den Klimawandel weiter verschärft“, erklärte Hans-Josef Fell, ehemaliger Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Präsident der Energy Watch Group. Fell, der als Autor an der Studie beteiligt war, fordert ein Umdenken in der aktuellen politischen Debatte um die Zukunft des Energiesektors. „Der Plan der CDU, allen voran der Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Abwrackprämie für Ölheizungen, aber nicht auch für Erdgasheizungen einzuführen, dient weder dem Klimaschutz noch den Verbraucher*Innen. Abwrackprämien muss es für Erdöl-, Erdgas- und Kohleheizungen geben.“

„Wir haben jüngst aufgedeckt, dass sich die jährlichen Subventionen für klimaschädliches Erdgas in Deutschland in 2017 auf enorme 1,4 Mrd. Euro beliefen.“, kommentierte Uwe Nestle, Geschäftsführer des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Bestehende und neue Subventionen in fossile Energien seien aber kontraproduktiv zur Erfüllung der Pariser Klimaziele. „Investitionen in die erneuerbaren Energien hätten dagegen umgehend und dauerhaft einen sehr positiven Effekt auf das Klima.“, so Nestle.Was hieraus folgt ist für Dr. Thure Traber, Mitautor und leitender Wissenschaftler der EWG, eindeutig: „Wenn die Klimaziele auf deutscher und internationaler Ebene wirklich erreicht werden sollen, dann ist es für Investitionen in Erdgas schlichtweg unmöglich sich zu amortisieren. Was bleiben wird sind Stranded Investments in Milliardenhöhe.“

Was genau die Politik tun muss, um ein zukunftsfähiges Energiesystem aufzubauen, ist für die Studienautoren eindeutig: Eine sofortige Abschaffung aller Subventionen für fossile Energieträger und eine flächendeckende Einführung emissionsfreier, erneuerbarer Technologien, dabei kann durchaus auch die bereits vorhandene Erdgas-Infrastruktur für klimafreundliches Biogas und grüne Gase wie Wasserstoff aus Ökostrom verwendet werden. Da ein weltweiter Umstieg des Energiesystems auf 100% erneuerbare Energien 55% der globalen Treibhausgasemissionen einsparen würde muss diese Maßnahme im Zentrum aller Klimaschutzbemühungen stehen. Die vorliegende Studie zeigt eindrucksvoll, dass für eine verantwortlich betriebene Politik fossile Energien keine Rolle spielen dürfen, auch nicht das fälschlicherweise als klimafreundliche Brückentechnologie bezeichnete Erdgas.

Die Studie ist hier online frei verfügbar.

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Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges, überparteiliches globales Netzwerk von Wissenschaftler*innen und Parlamentarier*innen. Die EWG erstellt Forschungen und veröffentlicht unabhängige Studien und Analysen über die globale Energieentwicklung. Ziel der EWG ist es, der Energiepolitik objektive Informationen zu verschaffen.

Neue wissenschaftliche Studie modelliert vollständige Energiewende in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr

Katowice, Polen (11. Dezember 2018) – Im Rahmen der Klimadiskussionen der COP24, der jährlichen Konferenz der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), wurde am Dienstag ein neuer Bericht veröffentlicht, der die Machbarkeit einer europäischen Energiewende basierend auf 100% Erneuerbaren Quellen aufzeigt.

Die neue wissenschaftliche Studie zeigt, dass die Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien mit dem heutigen, konventionellen fossil-nuklearen System wirtschaftlich konkurrenzfähig wäre und die Treibhausgasemissionen noch vor 2050 auf Null reduzieren würde. Noch deutlicher wird der finanzielle Vorteil einer Energiewende unter Berücksichtigung des prognostizierten Beschäftigungswachstums, sowie indirekter wirtschaftlicher Vorteile, welche beispielsweise für Gesundheit, Sicherheit und die Umwelt geschaffen werden, jedoch in der Studie nicht einbezogen wurden.

Die von der LUT University und der Energy Watch Group durchgeführte wissenschaftliche Modellierungsstudie ist die erste ihrer Art, die eine vollständige Energiewende in Europa in den Bereichen Strom, Wärme, Verkehr und Entsalzung bis 2050 simuliert. Die Veröffentlichung der Studie erfolgte nach etwa viereinhalb Jahren Forschung und Analyse von Datenerfassungen und technischen und finanziellen Modellierungen durch 14 Wissenschaftler.

„Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem“, sagte Hans-Josef Fell, ehemaliger Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Präsident der Energy Watch Group, während der COP24-Pressekonferenz. „Es wird gezeigt, dass Europa auf ein emissionsfreies Energiesystem umstellen kann. Deshalb können und sollten die europäischen Politiker viel mehr für den Klimaschutz tun als derzeit anvisiert.“

Einige Schlüsselerkenntnisse der Studie:

• Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien erfordert eine Massenelektrifizierung in allen Energiesektoren. Die gesamte Stromerzeugung wird das Vier- bis Fünffache der Stromerzeugung von 2015 ausmachen. Dadurch wird der Stromverbrauch im Jahr 2050 mehr als 85% des Primärenergiebedarfs betragen. Gleichzeitig wird der Verbrauch fossiler Energierohstoffe und Kernkraft in allen Sektoren vollständig eingestellt.

• Die Stromerzeugung im 100% Erneuerbare-Energien-System wird aus folgendem Mix an Energiequellen bestehen: Solarenergie (62%), Windkraft (32%), Wasserkraft (4%), Bioenergie (2%) und Geothermie (<1%).

• Wind- und Solarenergie machen bis 2050 94% der gesamten Stromversorgung aus. Etwa 85% der Erneuerbaren Energien werden aus dezentraler lokaler und regionaler Erzeugung stammen.

• 100% Erneuerbare Energien sind nicht teurer: Die Energiekosten für ein vollständig nachhaltiges Energiesystem in Europa bleiben stabil und liegen 2050 bei 50-60 €/MWh.

• Die jährlichen Treibhausgasemissionen in Europa sinken durch die Umstellung in allen Sektoren kontinuierlich von rund 4.200 Mio. t CO2-Äq. im Jahr 2015 auf Null bis 2050.

• Ein zu 100% erneuerbares Stromsystem wird 3 bis 3,5 Millionen Menschen beschäftigen. Die rund 800.000 Arbeitsplätze im europäischen Steinkohlebergbau aus dem Jahr 2015 werden bis 2050 komplett eingestellt. Diese werden durch mehr als 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbare-Energien-Branche überkompensiert.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die aktuellen Ziele des Pariser Klimaabkommens beschleunigt werden können und sollten“, sagte Dr. Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der finnischen Universität LUT. „Eine Wende hin zu 100% sauberen, Erneuerbaren Energien ist sehr realistisch – schon jetzt, mit den heute verfügbaren Technologien.“

Die Studie schließt mit politischen Empfehlungen zur raschen Einführung Erneuerbarer Energien und emissionsfreier Technologien. Zu den wichtigsten in dem Bericht festgelegten Maßnahmen zählen die Förderung von Sektorenkopplung, privaten Investitionen, Steuervergünstigungen und rechtlichen Privilegien bei gleichzeitiger Einstellung von Subventionen für Kohle und fossile Brennstoffe. Mit der Umsetzung starker politischer Rahmenbedingungen, so der Bericht, ist eine Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien bereits vor 2050 möglich.

Die Schlüsselerkenntnisse (auf Englisch) finden Sie hier.

Die komplette Studie (auf Englisch) finden Sie hier.

Eine zusammenfassende Präsentation zu den Ergebnissen der Studie (auf Englisch) finden Sie hier.

Eine ausführliche Präsentation zu den Ergebnissen der Studie (auf Englisch) finden Sie hier.

Ergänzende Daten zur Studie finden Sie hier.

Die Pressemitteilung zur Studie ist außerdem verfügbar auf Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch.

Pressekontakt: Doreen Rietentiet / +49 30 609898815 / rietentiet(at)energywatchroup.org

 

Über die Studie

Die Simulation der Energiewende in Europa ist Teil der von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Stiftung Mercator mitfinanzierten Studie „Globales Energiesystem mit 100% Erneuerbaren Energien“, welche Anfang 2019 abgeschlossen sein wird. Modernste Modellierungen, entwickelt von der LUT University, berechnen einen kostenoptimalen Mix von Technologien auf Grundlage lokal verfügbarer erneuerbarer Energiequellen. Dabei wird ein kosteneffizienter Übergang hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung für die ganze Welt, aufgeteilt in 145 Regionen, mit stündlicher Auflösung für ein gesamtes Referenzjahr ermittelt. Das Szenario der globalen Energiewende wird in fünfjährigen Zeiträumen von 2015 bis 2050 durchgeführt. Die Ergebnisse werden in neun große Weltregionen zusammengefasst: Europa, Eurasien, MENA, Südsahara-Afrika, SAARC, Nordostasien, Südostasien, Nordamerika und Südamerika.

Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges, überparteiliches globales Netzwerk von Wissenschaftler*innen und Parlamentarier*innen. Die EWG erstellt Forschungen und veröffentlicht unabhängige Studien und Analysen über die globale Energieentwicklung. Ziel der EWG ist es, der Energiepolitik objektive Informationen zu verschaffen.

Über die LUT University

Die finnische LUT University ist auf Technologie und Wirtschaft spezialisiert. Die Stärken der LUT University sind die Bereiche Energie, Forstindustrie und Metallcluster, Elektrotechnik, Wirtschaft und Expertise in Zusammenarbeit mit Russland. Bei 900 Mitarbeitern an der Universität studieren in den verschiedenen Studiengängen rund 5.000 Studenten und 500 Doktoranden. LUT ist die größte Energieforschungs- und Bildungsorganisation in Finnland. Die LUT School of Energy Systems beschäftigt über 300 Fachkräfte, die unter der Leitung von 30 Professoren in Forschung und Lehre im Bereich Energie arbeiten. Weitere Informationen finden Sie unter www.lut.fi.

Berlin, den 20. März, 2018. Bei seinem Staatsbesuch in Indien vereinbarte Frankreichs Präsident Macron mit Indiens Regierungschef Narendra Modi letzte Woche den Verkauf von sechs französischen EPR-Reaktoren für das größte Atomkraftwerk, geplant in Jaitapur. Unbeachtet bleibt, dass Indien bisher den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat. Das Plutonium aus den Reaktoren könnte vollständig, ohne internationale Kontrolle, für den Bau von Atomwaffen eingesetzt werden. Auch energiewirtschaftlich sind alle EPR- Bauprojekte der letzten Jahre hochproblematisch.

Der “European Pressurized Reactor” (EPR), ein Druckwasserreaktor der in den 1990er Jahren als der Anstoß zur Renaissance der europäischen Atomwirtschaft galt, erweist sich als finanzielles und technisches Desaster. Ein neuer Bericht der Energy Watch Group zeigt, dass die von der Nuklearindustrie versprochenen wirtschaftlichen und energetischen Gewinne bei Weitem nicht realisiert wurden.

Die nach wie vor unvollendeten EPR-Reaktorbauten in Flamanville (Frankreich), Olkiluoto (Finnland) und Hinkley Point C (Großbritannien) stehen exemplarisch für die Verfehlungen der Atomindustrie. Jahrelange Verzögerungen der Inbetriebnahmen, gravierende Sicherheitsmängel sowie explodierende Baukosten in Milliardenhöhe sind wiederkehrende Merkmale aller bisherigen EPR-Bauprojekte.

Nur durch milliardenschwere staatliche Rettungspakete konnte der Weiterbau bisher sichergestellt werden. In Folge dessen erhöht sich der Druck und das Risiko für einen Bankrott vor allem für die französischen Atomkonzerne AREVA und EDF. Eine Entwicklung, deren Auswirkungen man bereits beim US-japanischen Atomunternehmen Westinghouse beobachten konnte.

Die Versprechen von “inhärent sicheren” EPR-Reaktoren haben sich nicht bewahrheitet, vielmehr wandelte sich die Technologie zu einer enormen Last für europäische Steuerzahler. Es ist höchste Zeit die Atomenergie zu einem Ende kommen zu lassen, sowohl durch einen wirksamen Ausstieg aus laufenden Projekten, als auch durch die Verweigerung von neuen Investitionen.”, äußerte sich Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Co-Autor der Übersichtsstudie. “Erneuerbare Energien sind die sicherste und kostengünstigste Lösung heutzutage. Das Festhalten an Nuklearen Energieträgern entbehrt jeglicher rationaler Argumentation.”

“Die Sicherheitsrisiken des alternden europäischen Atomkraftwerksparks wachsen stetig. Die neue Generation der EPR-Reaktoren erhöht sogar noch die Bedrohung für die Sicherheit und Finanzen der Bevölkerung. Die nukleare Dreieckbeziehung “Fessenheim-Flamanville-Hinkley Point” demonstriert eindrücklich die verheerende Verflechtung aus bestehenden und neuen Mängeln.” So Eva Stegen, Co-Autorin der Informationsschrift und Energiereferentin der genossenschaftlichen Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Die Veröffentlichung der Energy Watch Group “Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft” dokumentiert die fatalen Entwicklungen der EPR-Bauprojekte unter den Augen der Europäischen Union.

  • Bisher lässt die Fertigstellung der EPR-Bauprojekte in der EU auf sich warten. So verschob sich die prognostizierte Inbetriebnahme des Hinkley Point C (GB) zu Weihnachten 2017 zuletzt auf 2027. Gleichsam rückte der Termin für Flamanville bereits von 2012 auf 2020. Das finnische AKW Oulkilouto liegt inzwischen 12 Jahre hinter dem geplanten Beginn der Energieproduktion.
  • Massive Kostenüberschreitungen kennzeichnen die EPR-Projekte. Die ursprünglichen Kosten haben sich von jeweils 3 Mrd. Euro auf ca. 10,5 Mrd. Euro bei Flamanville und 8,5 Mrd. Euro bei Olkiluoto, mehr als verdreifacht.
  • Mittlerweile haben sich Schulden in Höhe von 61 Mrd. Euro bei EDF sowie bei AREVA eine Summe von 10 Mrd. Euro angesammelt. Der französische Staat musste AREVA mit 4,5 Mrd. Euro subventionieren. EDF konnte nur noch durch 3 Mrd. Euro Kapitalerhöhung gerettet werden.
  • Im Februar 2013 wurde bekannt, dass die nukleare Reinigung des Atomstandortes Sellafield bis zu diesem Zeitpunkt bereits fast 70 Mrd. Pfund gekostet hatte. Jedes Jahr kommen etwa 1,6 Mrd. Pfund dazu.
  • Die britische Regierung hält am Bau des neuen EPR-Atomreaktors Hinkley Point C fest, obwohl eine nicht veröffentlichte Regierungsstudie belegt, dass Wind- und Solarstrom im Vergleich zu dem geplanten AKW Hinkley Point C um die Hälfte günstigeren Strom erzeugen würden
  • Die treibende Kraft hinter der regierungsseitigen Affinität zur Atomtechnologie ist in der Quersubventionierung des militärischen Atomprogramms zu suchen. Die Wissenschaftler Emily Cox, Phil Johnstone und Andrew Stirling (SPRU, Universität Sussex) haben in einer umfassenden Studie detailliert nachgewiesen, was von militärischer Seite offen kommuniziert, von der Energiepolitik jedoch vehement geleugnet wird: die Aufrechterhaltung des zivilen Atomprogramms entlastet den Verteidigungshaushalt.
  • Von der durch die Atomindustrie beschworenen “inhärenten Sicherheit” sind die EPR-Projekte weit entfernt. Die entstandenen technischen Problematiken der EPR sind inzwischen irreversibel. Durch schwere Mängel in Boden und Deckel des Reaktordruckbehälters in Flamanville kann ein sicherer Betrieb nicht gewährleistet werden. EU-weite Forschungsprojekte zur vierten Generation von Atomreaktoren sind ein indirektes Eingeständnis für die fehlende inhärente Sicherheit von Atomreaktoren, einschließlich der EPR.
  • Die Wahrscheinlichkeit für Terroranschläge und Cyber-Angriffe auf Atomkraftwerke wächst zunehmend. Im Atomkraftwerk Hinkley Point C ist die gesamte Reaktorsicherheit über ein digitales Kontrollsystem geregelt. Dies führt nicht nur zu einer hohen Fehleranfälligkeit, sondern macht das System auch extrem empfänglich für digitale Angriffe.
  • Erneuerbare-Energien-Technologien sind wesentlich günstiger, schneller zu installieren und fähig unschädliche und sichere Energie zu liefern. Eine unlängst veröffentlichte Studie der Energy Watch Group und Lappeenranta University of Technologie belegt nachdrücklich, dass erneuerbare Energien zusammen mit Speichersystemen die völlige Versorgungssicherheit auch ohne Grundlast schaffen können und das zu wettbewerbsfähigen Kosten.

 

Den vollständigen Bericht finden Sie hier auf deutsch, english, français.

Presse Kontakt: Charlotte Hornung, Energy Watch Group, Tel: +49 30 609 898 810, office©energywatchgroup.org

Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die EWG erstellt Forschungen und unabhängige Studien und Analysen über globale Energieentwicklung.

November 8, 2017, Bonn – Eine weltweite Energiewende hin zu 100% erneuerbarer Stromversorgung ist nicht mehr nur eine reine Zukunftsvision, sondern greifbare Realität, welche durch die bahnbrechende neue Studie der Lappeenranta University of Technology (LUT) zusammen mit der Energy Watch Group (EWG), präsentiert wird. Die Studie wurde am 8 November 2017 während des Global Renewable Energy Solution Showcase Events (GRESS) im Rahmen der Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP23 in Bonn präsentiert.

Die Studie liefert aufschlussreiche Ergebnisse: Ein weltweites Elektrizitätssystem das komplett auf erneuerbaren Energien basiert, schafft Versorgungssicherheit zu jeder Stunde über das komplette Jahr und dabei auch noch kosteneffizienter als das aktuelle Stromsystem, welches hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen und Kernkraft basiert.

Das Potential erneuerbarer Energien und die dafür notwendigen Technologien, z.B. Stromspeicherungssysteme, sind in der Lage Elektrizität effizient und sicher zu erzeugen und damit den weltweiten Strombedarf bis 2050 ganzjährig zu jeder Jahresstunde zu decken[1]. Die mittleren Stromkosten für 100% erneuerbare Energie im globalen Durchschnitt belaufen sich im Jahr 2050 auf 52 €/MWh (dies beinhaltet Kosten für Abregelungen und Speicherung, sowie Netzkosten), im Vergleich dazu beliefen sich die mittleren globalen Stromkosten im Jahr 2015 auf 70 €/MWh.

„Eine komplette Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors bis zum Jahr 2050 ist umsetzbar und dabei kostengünstiger als das heutige Stromsystem. Die Energiewende ist nicht länger eine Frage von technologischer Umsetzbarkeit oder wirtschaftlicher Rentabilität, sondern eine Frage des politischen Willens“ so Christian Breyer, Hauptautor der Studie, LUT Professor für Solarwirtschaft und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Energy Watch Group.

Eine Wende hin zu 100% erneuerbaren Energien würde die Treibhausgasemissionen im Stromsektor auf null reduzieren und die Energieverluste im Stromsystem drastisch verringern. Zudem würde es 36 Mio. Arbeitsplätze geben, 17 Mio. mehr als heutzutage im Stromsektor beschäftigt sind.

„Es gibt keinen Grund auch nur einen weiteren Dollar in fossile oder nukleare Energiegewinnung zu investieren.“ sagt Energy Watch Group Präsident Hans-Josef Fell. „Erneuerbare Energie bietet eine kosteneffiziente Stromversorgung. Alle Investitionspläne in Stromerzeugung mit Kohle, Kernkraft, Erdgas oder Erdöl müssen eingestellt werden und sollten umgelenkt werden in die Bereiche erneuerbarer Energie und die dafür notwendige Infrastruktur. Alles andere würde nur unnötige Kosten bedeuten und die Klimaerwärmung weiter verschlimmern.“

Die Schlüsselerkenntnisse der Studie:

  • Das Potential erneuerbarer Energien und der Technologien dahinter, inklusive Stromspeicherungssysteme, sind in der Lage Strom effizient und sicher zu erzeugen und damit den weltweiten Energiebedarf bis 2050 zu decken. Es wird prognostiziert, dass die Weltbevölkerung von 7,3 Mrd. auf 9,7 Mrd. Menschen anwächst. Daher wird auch der weltweite Energiebedarf im Energiesektor von 24.310 TWh im Jahr 2015 auf ungefähr 48.800 TWh im Jahr 2050 ansteigen.
  • Die durchschnittlichen Stromkosten (LCOE) für 100% erneuerbare Energien belaufen sich auf 52 €/MWh im Jahr 2050 (diese beinhalten Kosten für Abregelungen, Speicher- und Netzkosten), während es im Jahr 2015 noch 70 €/MWh waren.
  • Auf Grund von stark fallenden Kosten werden Photovoltaik und Batteriespeicherung die wichtigsten Pfeiler des erneuerbaren Energiesystems sein. Photovoltaik wird 69%, Windenergie 18%, Wasserkraft 8% und Bioenergie 2% des globalen Strommix im Jahr 2050 ausmachen.
  • Bis 2030 wird Windenergie 32% des Strombedarfs weltweit decken. Jedoch wird nach 2030 Photovoltaik wettbewerbsfähiger. Daher steigt der prozentuale Anteil von Photovoltaik im globalen Stromsektor von 37% im Jahr 2030 auf 69% im Jahr 2050.
  • Batterien stellen die Schlüsseltechnologie für Photovoltaik dar. 31% des globalen Strombedarfs im Jahr 2050 wird von Speichern abgedeckt, wovon wiederum 95% durch Batteriespeicher bereitgestellt wird. Batteriespeicher werden vor allem die täglichen Schwankungen ausgleichen, während Gas, aus erneuerbaren Energien erzeugt, die saisonale Speicherung decken wird.
  • Weltweit werden sich die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren, von ungefähr 11 GtCO2eq im Jahr 2015 hin zur emissionsfreien Energiegewinnung bis 2050 oder sogar früher, während die durchschnittlichen Stromkosten im Stromversorgungssystem sinken.
  • Die weltweite Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Energien schafft 36 Mio. Arbeitsplätze bis 2050, im Vergleich zu 19 Mio. Arbeitsplätzen im Stromsektor im Jahr 2015.
  • Der Gesamtverlust eines 100% erneuerbaren Energiesystems beläuft sich auf rund 26% des gesamten Endenergiebedarfs. Im Vergleich dazu weist das aktuelle Stromsystem einen Verlust von rund 58% der Primärenergie auf. 

Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100% Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ wird tiefgreifende Auswirkungen für politische Entscheidungsträger und Politiker weltweit haben. Die Studie widerlegt ein oft von Kritikern der Energiewende zitiertes Argument, dass erneuerbare Energien nicht in der Lage wären Strom ganzjährig zu jeder Tageszeit zu liefern.

Die verwendete Modellierung, entwickelt von der LUT, ist bislang einzigartig und berechnet den kostenoptimierten Mix von Technologien auf Grundlage von lokal verfügbaren erneuerbaren Energieressourcen, wobei die Welt in 145 Regionen eingeteilt ist. Demnach wird ein kosteneffizienterer Pfad für eine Energieversorgung in jeder der 145 Regionen berechnet auf Grundlage einer stündlichen Auflösung für ein gesamtes Jahr.

Das Szenario der weltweiten Energiewende wird in 5-Jahres Abschnitten für den Zeitraum von 2015 bis 2050 berechnet. Die Ergebnisse wurden dann in neun Hauptregionen der Welt zusammengefasst, bestehend aus: Europa, Eurasien, Mittlerer Osten und Nordafrika, Sub-Sahara Afrika, Südasien, Nordost Asien, Südost Asien, Nordamerika und Südamerika.

Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100% Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ ist durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und die Stiftung Mercator ko-finanziert.

Finden sie hier die wichtigsten Erkenntnisse (auf Deutsch) und die Kurzfassung der Studie (auf Englisch).

Die komplette Studie (auf Englisch) finden Sie hier.

Eine Präsentation zu den globalen Ergebnissen und weitere Links zu Regionen und Ländern finden Sie hier.

Presse Kontakt: Charlotte Hornung, Energy Watch Group, Tel: +49 30 609 898 810, presse©energywatchgroup.org

Über die Energy Watch Group

Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die EWG erstellt Forschungen und unabhängige Studien und Analysen über globale Energieentwicklung.

[1] Die Simulation des weltweiten Energiesektors in dieser Studie wurde bis 2050 durchgeführt. Es ist jedoch, unter günstigen politischen Rahmenbedingungen möglich, dass die Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Energien schon vor 2050 erreicht werden kann.

Im neuen World Energy Outlook untergräbt die Internationale Energieagentur mit ihrer Aufforderung zur vermehrten Investition in Erdöl und Gas ihren eigenen Aufruf zum Klimaschutz.

30 November 2016, Berlin – Die Internationale Energieagentur (IEA) untergräbt in ihrem World Energy Outlook (WEO) 2016 die positiven Botschaften für aktiven Klimaschutz und den Ausbau Erneuerbarer Energien mit ihrer Aufforderung, weiterhin in fossile Energien, vor allem in Erdöl und Erdgas zu investieren, wie die Analyse der Energy Watch Group zeigt.

Der heute in Berlin präsentierte „World Energy Outlook“ Bericht mahnt angesichts der 2015 und 2016 niedrigsten Ölfunde seit mehr als 60 Jahren und des niedrigen Ölpreises zu verstärkten Investitionen in den Öl- und Gassektoren. Dabei lässt die IEA außer Acht, dass die niedrigen Investitionen vor allem der Erschöpfung existierender und dem Mangel neuer Vorkommen geschuldet ist. Aber auch hohe Preise werden nicht ausreichen, um fehlende Fördermöglichkeiten hinreichend zu kompensieren, insbesondere weil immer günstiger werdende Erneuerbare Energien die Wettbewerbsfähigkeit der fossilen zunehmend schmälern.

„Auch wenn die Ölpreise wieder steigen würden, wird es in Zukunft keine Ölförderungen auf dem heutigen Niveau mehr geben können, weil deren Verfügbarkeit zurückgeht. Die IEA schadet mit ihrem Aufruf für neue Ölinvestitionen nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der globalen Energiesicherheit, denn ein steiler Ausbau der Erneuerbaren Energien kann die sich ergebende Versorgungslücke decken, Ölinvestitionen aber nicht“, so der Präsident der Energy Watch Group und frühere Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell.

„Doch selbst im optimistischen Szenario projiziert die IEA weit unter den bereits heute realisierten Ausbaugeschwindigkeiten von Erneuerbaren Energien und täuscht so die Öffentlichkeit erneut über die tatsächlich realisierbaren Möglichkeiten von Solar- und Windenergie, sowie der Elektromobilität “, so Fell.

Die Energy Watch Group Analyse zeigt: die IEA bedient sich zwar im WEO2016 eines positiven Tons in Bezug auf Erneuerbare Energien, geht aber weiterhin von einem langsameren Ausbau von Solar- und Windenergie aus, als er in den letzten acht Jahren bereits realisiert wurde. Dabei ignoriert die IEA zusätzlich die neue Dynamik in Folge des Pariser Klimaschutzabkommens.

Selbst in ihrem ambitioniertesten 450-Szenario wird ein Peak von neuen solar PV und Windenergieinstallationen für das Jahr 2030 prognostiziert. Dabei liefert die IEA keine Begründung, warum die immer noch kostengünstiger werdende Solar- und Windstromerzeugung trotz eines weiterhin zunehmenden globalen Energiebedarfs einen netto Zubaurückgang der Installationen erfahren sollte.

„Ein Rückgang der netto zugebauten Kapazitäten ab 2030 steht in krassem Widerspruch zu Einschätzungen führender internationaler Marktbeobachter. Die als sehr langsam angenommene Marktdurchdringung von Windkraft und Photovoltaik ist ebenfalls im Widerspruch mit den schon erreichten Änderungsraten des weltweiten Energiesystems der letzten 10 Jahre“, so Christian Breyer, Professor für Solarökonomie an der Lappeenranta University of Technology in Finnland und wissenschaftlicher Beirat der Energy Watch Group.

Im „New Policies Szenario“ (NPS) sind die Kostenannahmen der IEA für Photovoltaik in Indien im Jahr 2040 800 USD/kWp, obwohl die Kosten für PV-Kraftwerke im Jahr 2016 laut der indischen Regierung ca. 710 USD (€670)/kWp betragen. Außerdem unterschätzt die IEA weiterhin massiv den Ausbau im E-Mobilität-Sektor. Beispielsweise wird noch im Jahre 2040 die Ölabhängigkeit des Verkehrs bei 80% oder mehr gesehen.

Weitere Beispiele für kontroverse IEA Projektionen im World Energy Outlook 2016:

– Die IEA geht davon aus, dass Europas Gasimporte aus Russland 2040 auf heutigem Niveau bleiben werden. Sie projiziert außerdem, dass Russland seine Förderung bis 2040 um 20% erhöhen wird. Dabei ignoriert die IEA die Tatsache, dass die Gasförderung in Russland und insbesondere beim für Europa besonders relevanten Förderer Gazprom, stark zurückging. So förderte Gazprom im Jahr 2015 nur noch 419 Milliarden m3, so wenig wie zuletzt im Jahre 1985.

– Im NPS-Szenario suggeriert die IEA einen Nettozubau an Nuklearkraftwerkskapazität von 65 GW, im 450-Szenario sogar von ca. 160 GW. Der für 2025 im NPS angedeutete Bruttozubau von 131 Reaktoren bedingt, dass innerhalb der kommenden 8-9 Jahre etwa doppelt so viele wie die derzeit im Bau befindlichen 60 Reaktoren fertiggestellt werden – eine Annahme, die allen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte widerspricht.

– Die IEA geht weiterhin von einem Anstieg des Kohleverbrauchs bis 2040 aus, auch wenn dieser im NPS gering ist. Einzig das 450-Szenario sieht die Halbierung des heutigen Kohleverbrauchs bis 2040 vor. Dabei gibt der sich 2016 abzeichnende Rückgang der Kohleförderung von 10% in China zusammen mit dem großen Wertverlust vieler westlicher Kohleunternehmen genügend Rechtfertigung um einen deutlicheren Rückgang der Kohlenutzung als das wahrscheinlichste Szenario anzunehmen.

„Man wünschte sich, dass die IEA das 450-Szenario angesichts der realen Änderungen der chinesischen Kohlepolitik und des inzwischen völkerrechtlich wirksamen Pariser Klimaschutzabkommen in den Status des „NPS“ erhoben hätte. Darüber hinaus ist die IEA immer noch blind auf beiden Augen, was die Rolle der Erneuerbaren Energien, aber im umgekehrten Sinne auch die Rolle der Kernenergie betrifft,“ so Werner Zittel, Senior Energieexperte bei Ludwig-Bölkow-Systemtechnik und wissenschaftlicher Beirat der Energy Watch Group.

2015 hatte die Energy Watch Group zusammen mit der Lappeenranta Universität in einer Reihe von Studien gezeigt, dass die IEA in ihrem World Energy Outlook zwischen 1994 und 2015 anhaltend irreführende Projektionen zu Solar- und Windenergie veröffentlicht hat.