EWG Newsletter Januar 2024
Dieser erste Newsletter in 2024 blickt auf den globalen und deutschen Stand und Pfad zu „null CO2-Emissionen“ sowie zur dann notwendigen Abkühlung der Planeten. Darauf aufbauend sind Schwerpunkte für unsere Arbeit in 2024 zusammengefasst.
Zum Jahreswechsel hat die Energy Watch Group (EWG) zudem Handlungsspielraum und Selbständigkeit durch Umwandlung in eine eigene, gemeinnützige Gesellschaft gestärkt.
Die EWG ist ein Think Tank und Netzwerk, das zur Senkung der CO2-Emissionen sowie Abkühlung der Erdatmosphäre auf globaler, nationaler und kommunaler Ebene beiträgt. Dazu entwickeln wir
- geeignete Ziele, wirksame Lösungen und pragmatische Politikempfehlungen
- tragen diese in den Dialog mit Entscheidungsträgern und Medien
Ausblick global
Die Welt steuert ungebremst auf den Schwellenwert von 1,50° C zu: 2023 war das wärmste Jahr seit Aufzeichnung: es war 1,48 C° wärmer als der vorindustrielle Durchschnitt. Selbst im Mittelwert der letzten 5 Jahre liegt die Temperatur um 1,25 ° C über dem vorindustriellen Durchschnitt. Die CO2-Emissionen liegen weiter auf historischen Höchstwerten und feuern die Erwärmung weiter an. Mehr als ein halbherziges Bekenntnis zum „Übergang“ weg von fossilen Brennstoffen wurde auf der COP 28 nicht erzielt.
Die gute Nachricht ist, dass erneuerbare Energie mittlerweile nicht nur als klimafreundlich, sondern auch als die kostengünstigste Energie anerkannt ist (im Verkehr gilt das verbunden mit elektrischen Kfz und bei Gebäudewärme verbunden mit Wärmepumpen). Das hat Nachfrage und Angebot erneuerbarer Energien stark ausgeweitet, die exponentiell wachsen und dabei regelmäßig die Wachstumsprognosen übertroffen haben.
2023 lag der Zubau an Wind- und PV-Kapazität weltweit jeweils etwa 50% höher als der Zubau in 2022: Wenn diese exponentielle Wachstumsrate beibehalten wird, kann eine Begrenzung der Erderwärmung auf 2,0° C erreichbar sein. Und anders als erwartet, scheinen die Produktionskapazitäten für erneuerbare Energietechnologien in absehbarer Zukunft kein begrenzender Faktor zu sein.
Die dringendste Aufgabe ist jetzt, dieses exponentielle Wachstum beizubehalten, bis „null“ CO2-Emissionen erreicht sind. Die robusten, realisierbaren und volkswirtschaftlich rentablen Wege dorthin sind bereits vorhanden. Prof. Dr. Mark Z. Jacobson, Mitglied des wissenschaftlichen EWG-Netzwerks und einer der Impulsgeber für den Inflation Reduction Act, zeigt dies eindrucksvoll in seinem neuen Buch „No Miracles Needed„.
Die zentralen Erfolgsfaktoren und notwendigen Arbeitsschwerpunkte, um dieses exponentielle Wachstum fortzusetzen, sind:
- die Machbarkeit und Rentabilität von „Null CO2-Emissionen“ zum Allgemeinwissen zu machen, das Politik und Medien laufend verbreiten und bekräftigen,
- die volkswirtschaftlichen Vorteile von „Null CO2-Emissionen“ noch stärker in einzelwirtschaftliche Vorteile für Bürger*innen und Unternehmen übersetzen, um Marktkräfte und Eigeninitiative noch stärker für „null CO2-Emissionen“ zu mobilisieren,
- soziale Spannungen aufgrund der Transformation vermeiden, indem daraus entstehende, relevante Kostenbelastungen für untere Einkommensschichten innerhalb jedes Landes ausgeglichen werden – ebenso wie der Verlust von Arbeitsplätzen in einem Sektor durch Schaffung von Arbeitsplätzen in anderen Sektoren,
- eine starke inländische industrielle Basis in den für „null CO2-Emissionen“ maßgeblichen Technologien erhalten oder aufbauen und gleichzeitig die beträchtlichen chinesischen Produktionskapazitäten in diesem Bereich nutzen,
- die vielfältigen Regelungen streichen oder anpassen, die das nationale Energiesystem an fossile Brennstoffe und Versorger mit großen zentralen Kraftwerken binden,
- nicht zuletzt Beenden der Subvention fossiler Brennstoffe (1-7 Milliarden USD) sowie der Investition in den Ausbau fossiler Energien (1 Milliarde USD pro Jahr).
Das Erreichen von „Null CO2-Emissionen “ verhindert eine weitere Erwärmung der Erde, kühlt sie aber über Jahrhunderte nicht ab. Da die globale Erwärmung 1,5° C und mehr sein wird, werden erhebliche und langfristige Schäden für Natur, menschliche Gesundheit, wirtschaftliches Wohlergehen und nationale Sicherheit die Folge sein. Die andere dringende Aufgabe ist also, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und die Erde wieder abzukühlen. Die derzeit diskutierten CCS-Technologien sind teuer und in der notwendigen Skalierung (Abscheidung hunderter von Giga-Tonnen CO2) noch unerprobt. Wir brauchen robustere und erschwinglichere Lösungen, um den CO2-Gehalt der Erdatmosphäre zu senken. Prof. Dr. Christian Breyer, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der EWG, betreibt wegweisende Forschung zu diesen Fragen.
Wenn diese Lösungen feststehen, wird die Umsetzung eine stabile Finanzierung im Rahmen internationaler Abkommen erfordern.
Deutschland
In Deutschland liegt der 2023 erzielte Zubau von Wind- und PV-Kapazität sogar 75% (!) über dem Zuwachs in 2022. Das ist wesentlich auf die Anstrengungen der Ampel-Koalition zurückzuführen – trotz aller Kritik, der sie ausgesetzt ist.
Jetzt gilt es, beim Zubau eine Wachstumsrate von über 50% zu halten und so einen exponentiellen Hochlauf auf „Null CO2-Emissionen“ deutlich vor Mitte der 2030er Jahre zu erzielen. Die zentralen Herausforderungen sind dabei deren auf der globalen Ebene verwandet und erheblich, z.B.
- spiegeln die politisch-medialen Narrative kaum wider, wie praktikabel und rentabel das Erreichen von „Null CO2-Emissionen“ ist. Einmal etablierte Aussagen werden zu Lasten des eigenen Handlungsspielraums wenig hinterfragt (z.B. dass eFuels vor allem aus dem Ausland importiert werden müssen). Zu oft werden Maßnahmen emotional aber ohne gute Faktenbasis behandelt. Beim Gebäudeenergiegesetz hat das zur deutlichen Schwächung seiner CO2-Wirkung beigetragen – und zudem zur Erosion des gesellschaftlichen Konsens für Klimaschutz.
- betragen die fossilen Subventionen in Deutschland mind. 30 Mrd. € pro Jahr an Öl, Gas und Kohle. Die Einnahmen der Bundesregierung aus dem Emissionshandel (ETS und BEHG ) waren 2023 gute 15 Mrd. €. Damit setzt die Bundesregierung Anreize zum Verbrauch fossiler Energieträger, die etwa doppelt so stark sind, wie der Anreiz zur Einsparung durch den Emissionshandel
- hat weder die Bundesregierung noch eine der im Bundestag vertretenen Parteien einen seriös technisch-wirtschaftlich durchgerechneten Plan zur Erreichung von „Null CO2-Emissionen“ vorgelegt. Sinnvoll wäre ein Plan, der starke einzelwirtschaftliche Anreize setzt, sozial gerecht und fiskal verantwortlich ist, einfach zu verstehen sowie Wirtschaftsstandort und Konjunktur stärkt.
Wesentliche Bausteine, die in 2024 auf der Agenda von Bundesregierung und Bundestag stehen, sind:
- Kraftwerksstrategie – hier wird es darauf ankommen, nicht teure und zentrale Überkapazitäten an Gaskraftwerken neu zu errichten, sondern Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage in einem offenen Mix von Technologien (neben Gas z.B. auch andere Energieträger, Speicher und Lastabschaltung) sowie einem Mix von zentralen und dezentralen Quellen zu erzielen. Dies sollte auch das Strommarktdesign mit einschließen, um diese flexiblen Kapazitäten sinnvoll anzureizen und zu refinanzieren.
- Solarpaket – weitere Vereinfachung von Planung und Genehmigung von PV- und Wind-Anlagen
- Resilienz – Mechanismen erarbeiten und verabschieden, mit denen beim Ausbau von Wind, PV, Speichern, Elektromobilität u.a.m. genug Wertschöpfung in der EU und Deutschland entsteht, um von China u.a. Staaten viel wenig abhängiger zu sein.
Nicht so deutlich auf der politischen Agenda aber ebenso relevant ist es, aus Gründen der Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht mehr in „Brückentechnologien“ zu investieren, sondern direkt in Ausbau und Nutzung von erneuerbaren Energien. Prof. Dr. Claudia Kemfert, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der EWG, hat z.B. aufgezeigt, dass der Bau fester LNG-Terminals in Deutschland über viele Jahre einen unwirtschaftlichen, unnötig hohen und zudem besonders klimaschädlichen (Fracking) Gasverbrauch über 1-2 Jahrzehnte zementieren würde.
Zudem sind Hemmnisse auf der kommunalen Ebene zu überwinden: Bund und Länder schaffen mit Gesetzen und Fördermitteln Rahmenbedingungen, die Umsetzung von „Null CO2-Emissionen“ erfolgt aber zum guten Teil in den Kommunen. Dort wird die Umsetzung z.B. gebremst durch knappe Kapazität der Verwaltung für Planung und Genehmigung sowie durch drohende Verluste für Stadtwerke und kommunale Haushalte. Um auch in den Kommunen exponentielles Wachstum des CO2-freien Stroms, Wohnens und Verkehrs zu erzielen, sind dazu zügig Lösungen zu erarbeiten und zu verbreiten.
Energy Watch Group
Aus diesem globalen und nationalen Stand und Ausblick zu Klimafragen ergeben sich Schwerpunkte, die auch für die Arbeit der Energy Watch Group in 2024 relevant sind:
Null CO2-Emissionen
- Roadmaps zu „Null-Emissionen“ für Staaten, Bundesländer und Kommunen erarbeiten, die wirtschaftlich und sozial gerecht, für die öffentlichen Haushalte tragfähig sowie einfach zu verstehen und umzusetzen sind.
- Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität des exponentiellen Ausbaus von erneuerbaren Energien und Pfads zu „Null CO2-Emissionen“ gut verständlich belegen und auf allen Ebenen in den politisch-medialen Diskurs einbringen. Dies gilt auch für entscheidende Fakten und Zusammenhänge, die im Diskurs falsch dargestellt oder unbeachtet sind.
- Erleichterung der Umsetzung von „Null-Emissionen“ in Kommunen
- Lösungen zu weiteren Hemmnissen auf dem Pfad zu Null-Emissionen erarbeiten und verfügbar machen, z.B. zur ausreichend resilienten Lieferketten
- Beiträge zu anderen zentralen Fragen im aktuellen klimapolitischen Diskurs, wie z.B. zur deutschen Kraftwerkstrategie.
Erde wieder abkühlen
- Erarbeitung von technisch-wirtschaftlich tragfähigen und skalierbaren Lösungen, um die Erde wieder abzukühlen, also die planetarische Grenze von 350 ppm Treibhausgaskonzentration wieder zu unterschreiten.
- Sinnvolle Zielsetzungen für Null-Emissionen und Kohlenstoffsenken ableiten.
Organisatorisches
Als Think Tank und Netzwerk arbeiten wir weiter als „Energy Watch Group“. Im letzten Jahr fand erfolgreich eine organisatorische Umstrukturierung statt. Die für selbständige Gestaltung unserer Einnahmen und Ausgaben gegründete gemeinnützige Gesellschaft mussten wir aus Gründen des Namensrechts leicht abweichend „EWG Energy Watch gUG (haftungsbeschränkt)“ nennen. Dieser Name erscheint aber nur im Rechtsverkehr (Verträge, Spenden, Impressum der Webseite). Präsident der Energy Watch Group ist weiterhin Hans-Josef Fell. Geschäftsführer der EWG Energy Watch gUG ist Dr. Hartmut Fischer. Mitgesellschafter ist Felix Rodenjohann.
Ihr Beitrag
Ihre Impulse zur Auswahl und Ausgestaltung dieser Schwerpunkte sind willkommen. Richten Sie diese vorzugsweise an office@energywatchgroup.org.
Ihre Spenden helfen uns, diese Arbeit in hoher Qualität und Wirkung fortzusetzen!